article banner

Market Economy Operator Test

Instrument zur Beseitigung des Beihilfetatbestands

Erhalten Unternehmen Finanzierungsmittel oder sonstige Unterstützung von der öffentlichen Hand (z.B. Eigen- oder Fremdkapital, Bürgschaften und Garantien, etc.), besteht das Risiko, dass eine Begünstigung vorliegt und diese Maßnahmen als staatliche Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) einzustufen sind.

Diese Einstufung hat weitreichende Folgen: Sofern nicht eine der eng gefassten Ausnahmeregelungen für staatliche Beihilfen greift, muss vorab eine Genehmigung für die geplante Maßnahme bei der Europäischen Kommission eingeholt werden. Ohne Genehmigung besteht das Risiko, dass eine Maßnahme im Rahmen eines Prüfverfahrens durch die EU-Kommission nachträglich als staatliche Beihilfe eingestuft wird und die gewährte Beihilfe durch den Empfänger zurückzuführen ist.

GUT INFORMIERT!

Abonnieren Sie unsere kostenlosen Newsletter und Webinare.

Jetzt anmelden!

Geplante Kapitalmaßnahmen aus öffentlichen Mitteln sollten daher unbedingt im Vorhinein auf einen Beihilfecharakter überprüft werden. Mit einem Market Economy Operator Test (MEOT) bzw. einem Private Investor Test (PIT) oder Private Creditor Test (PCT) kann zudem nachgewiesen und dokumentiert werden, dass die Maßnahme marktkonform ausgestaltet ist und somit keine staatliche Beihilfe darstellt.

Unsere Beihilfecheck – Prüfung, Konsequenzen und Vermeidung staatlicher Beihilfen

1. Wann liegt ein Beihilfetatbestand vor?

Nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sind Beihilfen grundsätzlich verboten.

Eine öffentliche Maßnahme stellte demnach eine staatliche Beihilfe dar, sofern die nachstehenden sechs Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

  1. es wird ein Vorteil aus staatlichen Mitteln gewährt;
  2. es liegt eine Begünstigung vor;
  3. die Maßnahme wird zugunsten eines Unternehmens oder Produktionszweigs gewährt
  4. es liegt eine Selektivität vor, d.h. es werden nur ein bestimmtes Unternehmen oder ein bestimmter Produktionszweig begünstigt;
  5. Die Begünstigung führt zu einer Wettbewerbsverfälschung droht den Wettbewerb zu verfälschen;
  6. die Begünstigung führt zu einer Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels.

Ist eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, handelt es sich nicht um eine Beihilfe und die geplante Maßnahme kann ohne beihilferechtliche Einschränkungen gewährt werden.

Andernfalls muss die Maßnahme vor ihrer Gewährung bei der Europäischen Kommission im Rahmen eines Notifizierungsverfahrens angemeldet werden. In Ausnahmefällen ist eine Anmeldung nicht erforderlich (z.B. De-minimis-Beihilfen; DAWI-Freistellungsbeschluss; öffentlicher Dienstleistungsauftrag nach der VO 1370/2007; Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung).

2. Welche Maßnahmen können einen Beihilfetatbestand auslösen?

Den Beihilfetatbestand kann grundsätzlich jede staatliche Unterstützungsmaßnahme erfüllen, sofern dem Unternehmen dadurch ein marktunüblicher Vorteil (Begünstigung) gewährt wird. Von Relevanz sind in der Praxis insbesondere nachstehende Maßnahmen:

  • Eigenkapitalzuführungen (inkl. Debt-to-Equity-Swap);
  • (Gesellschafter-) Darlehen; Förderdarlehen, Bürgschaften, Garantien;
  • Gewinnabführungsverträge, Rangrücktrittsvereinbarungen, Patronatserklärungen;
  • Kauf bzw. Verkauf von Grundstücken und Gebäuden;
  • Erwerb bzw. Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen;
  • Miet-, Pacht-, Konzessions- und Dienstleistungsverträge;
  • Bereitstellung von öffentlicher Infrastruktur;
  • Übernahme von Betriebs- und/oder Erschließungskosten;
  • Ermäßigung oder Befreiung von Steuern, Gebühren und Abgaben.

Für die Erfüllung des Beihilfetatbestandes müssen keine Zahlungen der öffentlichen Hand erfolgen, es reicht, wenn die öffentliche Hand auf vertragliche Zahlungen verzichtet bzw. diese stundet oder Vermietungen und Verpachtungen zu Konditionen unterhalb des Marktniveau gewährt.

3. Welche Empfänger und Branchen sind betroffen?

Betroffen sind grundsätzlich alle Unternehmen und Einrichtungen, die dauerhaft oder vorübergehend Empfänger staatlicher Transferleistungen sind. Dies sind sowohl Unternehmen in öffentlichem Eigentum als auch private Unternehmen, die staatliche Unterstützungsmaßnahmen entweder direkt von der öffentlichen Hand oder indirekt von Unternehmen im öffentlichen Eigentum erhalten.

Beihilfetatbestände können grundsätzlich alle Branchen betreffen, wobei insbesondere nachstehende Branchen mit einem öffentlichen Bezug zu den Empfängern von öffentlichen Transferleistungen zählen:

  • Verkehrs- und Infrastrukturunternehmen (z. B. Flug- und Seehäfen, Verkehrsunternehmen);
  • Unternehmen der sozialen Infrastruktur (z. B. städtische Immobilienunternehmen, Messen, Kongresszentren, Bäder);
  • Unternehmen des Gesundheitssektors (z. B. Krankenhäuser);
  • Energieversorgungsunternehmen (z. B. Stadtwerke; Strom- und Gasnetzbetreiber);
  • Entsorgungsunternehmen;
  • Finanzinstitute (z. B. Landesbanken).
4. Was sind die Folgen eines Beihilfetatbestandes?

Ein Beihilfeprüfverfahren durch die Europäische Kommission kann beispielsweise aufgrund einer Beihilfebeschwerde von Wettbewerbern oder im Rahmen einer Initiativprüfung eingeleitet werden.

Sofern die Kommission im Rahmen eines Beihilfeprüfverfahrens feststellt, dass die staatliche Maßnahme mangels Genehmigungsfähigkeit materiell rechtswidrig ist, ordnet sie gegenüber dem betreffenden Mitgliedstaat die Rückforderung der Beihilfe von dem begünstigten Unternehmen an. Darüber hinaus werden in der Regel Zinsen von dem begünstigten Unternehmen für den Zeitraum zwischen Gewährung der Beihilfe und dem Rückzahlungszeitpunkt erhoben.

5. Der Market Economy Operator Test - Wie kann ein Beihilfetatbestand ausgeschlossen werden?

Der Tatbestand der Begünstigung für eine staatliche Beihilfe, also die Gewährung eines wirtschaftlichen Vorteils an ein Unternehmen, kann ausgeschlossen werden, sofern die öffentliche Hand für die Maßnahme eine angemessene marktübliche Gegenleistung erhält. In diesem Fall verhält sich die öffentliche Hand wie ein privater marktwirtschaftlich handelnder, unabhängiger Marktteilnehmer (Market Economy Operator).

Mit dem Instrument eines Market Economy Operator Tests („MEOT“) besteht die Möglichkeit zu überprüfen und zu belegen, dass die Gegenleistung für die öffentliche Hand marktüblichen Konditionen entspricht. Hierbei erfolgt eine Prüfung für Eigenkapitalmaßnahmen anhand eines sogenannten Private Investor Tests, für Fremdkapitalmaßnahmen anhand eines Private Creditor Tests und im Fall von Veräußerungen anhand eines Private Vendor Tests. Diese Instrumente wurden im Rahmen der beihilferechtlichen Entscheidungspraxis der EU-Kommission und der europäischen Gerichte entwickelt. Der MEOT dient als zentrale Dokumentation und Argumentationsleitfaden sofern die EU-Kommission ein Prüfverfahren einleitet.

Sofern der Test positiv ausfällt, handelt es sich nicht um eine anmeldepflichtige staatliche Beihilfe. Fällt der Test negativ aus und greift keine der eng gefassten Ausnahmeregelungen für staatliche Beihilfen, ist eine Genehmigung der Beihilfe durch die Europäische Kommission erforderlich.

Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass ein MEOT von vornherein nicht bestanden ist, sofern sich das betreffende Unternehmen in Schwierigkeiten befindet, d.h. insbesondere nicht in der Lage wäre, das erforderliche Kapital auf dem Kapitalmarkt zu beschaffen.

Im Fall von Käufen oder Verkäufen von Unternehmensbeteiligungen durch die öffentliche Hand ist ein Nachweis der Beihilfekonformität entweder über wettbewerblich zustande gekommene Kaufpreise erforderlich oder alternativ kann eine gutachtliche Stellungnahme zum Unternehmenswert nach IDW S 1 eingeholt werden.

6. Wie erfolgt ein Market Economy Operator Test bzw. Private Investor Test?

Die Konzeption eines Market Economy Operator Test (MEOT) hängt grundsätzlich von der Art der geplanten Maßnahme der öffentlichen Hand ab und ist in der Regel auf den spezifischen Einzelfall anzupassen. Im Rahmen des MEOT wird analysiert, ob die öffentliche Hand eine angemessene Gegenleistung in Form einer marktüblichen Rendite erwirtschaftet.

Die Prüfung hat ex-ante zu erfolgen, d.h. es werden erwartete marktübliche Renditen zum Zeitpunkt der Entscheidung zur Durchführung der Maßnahme durch die öffentliche Hand untersucht. Sofern die Maßnahme bereits in der Vergangenheit durchgeführt wurde, kann unter Umständen auch ein ex-post erstellter MOET als Dokumentation dienen, wobei der Zeitpunkt der Entscheidung zur Durchführung der Maßnahme als Beurteilungsmaßstab herangezogen wird.

In vielen Fällen wird der MEOT in Form eines Private Investor Test („PIT“) auf Eigenkapitalmaßnahmen angewendet. Im Rahmen eines PIT wird eine Wirtschaftlichkeitsberechnung nach der Internal Rate of Return- oder der Discounted Cash Flow Methode vorgenommen. In der Praxis werden dabei Unternehmenswerte des betroffenen Unternehmens in Szenarien mit und ohne die Kapitalmaßnahme verglichen. Das maßgebliche Vergleichsszenario stellt die ökonomisch wirtschaftlichste Handlungsalternative ohne Durchführung der Kapitalmaßnahme dar. Der PIT ist bestanden, sofern der Unternehmenswert im Szenario mit Kapitalmaßahme oberhalb des Unternehmenswerts im Vergleichsszenario liegt. Die Robustheit der Ergebnisse wir durch eine Sensitivitätsanalyse nachgewiesen, in welcher Upside- und Donwside-Szenarien untersucht werden.

Die Schritte des Private Investor Test

  1. Konzept
    Einzelfallspezifische Konzeptionierung des PIT für die geplante öffentliche Maßnahme

  2. Planungsszenarien 
    Ableitung Basisszenario mit Kapitalmaßnahme und wirtschaftlichsten Handlungsalternative ohne Kapitalmaßnahme (Vergleichsszenario)

  3. Cash Flows
    Analyse und Ermittlung der erwarteten Zahlungsströme (Cash Flows) in den betrachteten Szenarien

  4. Kapitalkosten
    Berechnung von risikoäquivalenten Diskontierungszinssätzen auf Basis von Kapitalmarktdaten und dem CAPM

  5. Kapitalwertvergleich / IRR
    Diskontierung der Cash Flows in den betrachteten Szenarien und Durchführung eines Kapitalwertvergleichs bzw. Ermittlung IRR

  6. Sensitivitätsanalyse
    Prüfung der Robustheit der Ergebnisse im Rahmen von Sensitivitätsanalysen (Downside- und Upside-Szenarien)
7. Wie erfolgt ein Private Creditor Test für Fremdkapitalmaßnahmen?

Der MEOT kann auch auf Fremdkapitalmaßnahmen durch die öffentliche Hand in Form eines Private Creditor Test (PCT) angewendet werden.

Hierbei ist die Marktüblichkeit der zu vereinbarenden Konditionen für die Fremdkapitalmaßnahme zu untersuchen.

Fremdkapitalmaßnahmen umfassen beispielsweise Gesellschafterdarlehen, Bürgschaften und Garantien. Hier sind unter anderem die Zinssätze, das Bürgschaftsentgelt, die Laufzeiten und die vereinbarten Covenants einem Fremdvergleich zu unterziehen, um einen marktunüblichen Vorteil auszuschließen.

Die Prüfung der Konditionen kann anhand von Kapitalmarktdaten mittels gutachtlicher Stellungnahmen oder konkreter rechtsverbindlicher Angebote von Kreditinstituten erfolgen. Darüber hinaus können die Regelungen der sogenannten Referenzzinssatzmitteilung und der Bürgschaftsmitteilung der EU-Kommission als vereinfachte Ermittlungsmethoden angewendet werden.

Für die Berechnung marktüblicher Konditionen ist zunächst die Kreditwürdigkeit des betroffenen Unternehmens als Empfänger anhand eines Ratings festzustellen, um auf dieser Basis angemessene Zinssätze bzw. Avalprovisionen zu ermitteln. Die Feststellung der Kreditwürdigkeit erfolgt auf Grundlage der Jahresabschlüsse, der Wirtschafts- und Finanzpläne sowie weiterer Finanzdaten des betroffenen Unternehmens.

Auch für Fremdkapitalmaßnahmen können beihilfekonforme Freistellungsregelungen oder Beihilferahmenregelungen greifen.

8. Wie unterstützen wir Sie mit einem Market Economy Operator Test?

Nutzen Sie unsere langjährige Expertise und Erfahrung als anerkannter betriebswirtschaftlicher Gutachter zu beihilferechtlichen Fragestellungen aller Art. Sie minimieren Ihr Risiko und profitieren von einer professionellen Begleitung des Prozesses:

  • Analyse der Anforderungen zur Sicherstellung der Beihilfekonformität im konkreten Einzelfall
  • Fundierte Dokumentation der Marktkonformität einer geplanten Kapitalmaßnahme durch einen Market Economy Operator Test in Form einer gutachtlichen Stellungnahme (Private Investor Test / Private Creditor Test)
  • Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung eines Anmeldeverfahrens bzw. Prä-Notifizierungsverfahrens bei der EU-Kommission unter Rückgriff auf ein umfangreiches Expertennetzwerk im Bereich des öffentlichen Rechts