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Rechnungslegung

Automotive: Nach dem Abschluss ist vor dem Abschluss

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie und die damit verbundenen behördlichen Anordnungen auf die europäische Automobilindustrie sind gravierend. Sowohl die Produktion als auch der Verkauf von Kraftfahrzeugen sind in den meisten Teilen Europas und anderen Regionen teilweise zum Erliegen gekommen. So hat die Corona-Pandemie bei den Automobilherstellern laut ACEA zu Produktionsausfällen von mehr als 2,4 Millionen Kraftfahrzeugen geführt. Infolgedessen erwarten Automobilzulieferer im Jahr 2020 Umsatzverluste von bis zu 20% oder mehr, andere gehen sogar von einem negativen Ergebnis aus. Wohl kaum einer vermag abzuschätzen, wann die Krise überstanden ist.

Da die Automobilbranche mit dem wohl größten Produktionsstillstand der Nachkriegszeit konfrontiert war und die weitere Entwicklung einer der wichtigsten deutschen Industriezweige in vielen Aspekten mit einer großen Unsicherheit behaftet ist, ist die Berücksichtigung der Auswirkungen der Corona-Krise auf die Finanzberichterstattung, insbesondere in der Bewertung von Vermögensgegenständen, bei der Bildung von Schätzwerten, als auch in der Anhangs- und Lageberichtserstattung eine große Herausforderung.

Was bedeutet dies für Jahres- und Konzernabschlüsse oder auch Geschäftsberichte die deutlich nach dem 31. Dezember 2019 aufgestellt werden und für Abschlüsse des Jahres 2020?

Das Auftreten von COVID-19 als wertbegründendes Ereignis im Jahr 2020:

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Going-Concern (gilt für alle Stichtage)

Aufgrund der Corona-Pandemie und der daraus resultierenden Konsequenzen (vorrübergehende Stilllegung von Produktionsstandorten zum Schutz der Belegschaften und Kurzarbeit sowie Produktionsverluste) müssen gesetzliche Vertreter der Automobilindustrie bei Erstellung von Abschlüssen nun einschätzen, ob die Going-Concern Annahme weiterhin gerechtfertigt ist, und ob aus der Corona-Pandemie Risiken resultieren, die die Annahme der Unternehmensfortführung wesentlich beeinträchtig sein könnte. Dabei ist die Einschätzung der Lage durch die gesetzlichen Vertreter während der Corona-Pandemie mit einem noch nie dagewesenen Maß an Unsicherheit und Risiko gekoppelt. Eine Überarbeitung der Unternehmensplanung wird unter diesen Prämissen als notwendig erachtet. Diese wird nicht nur ertragsseitig, sondern insbesondere auch bezogen auf die Liquidität erforderlich sein. Gerade in der Automobilzulieferindustrie ist letzteres kritisch, da durch Entwicklungstätigkeit und Werkzeuggeschäft ein wesentlicher Teil der Vorfinanzierung auf die Zulieferer verlagert wird.

Schätzwerte im Jahresabschluss

Durch die Corona-Pandemie sind die Annahmen für Schätzwerte in der Bilanz einerseits neu zu überdenken, andererseits steigt tendenziell die Unsicherheit der Schätzung. Die Wahrscheinlichkeit hierfür besteht insbesondere bei folgenden Posten.

Aktivposten: Vermögensgegenstände oder Vermögenswerte

Die Werthaltigkeit von Aktivposten kann massiv beeinflusst werden. Je nachdem, ob es sich um Anlage- oder Umlaufvermögen handelt, kann diese Wertminderung eine außerplanmäßige Abschreibung erfordern. Betroffene Aktivposten sind insbesondere Sach- und Finanzanlagen, Vorräte und Forderungen. Bei der Bewertung dieser Posten sind Annahmen über die zukünftige Entwicklung zu treffen, die im aktuellen Marktumfeld entsprechend signifikant abweichen können. Dies gilt sowohl für Vermögensgegenstände in der handelsrechtlichen Bilanz, als auch für Vermögenswerte im IFRS-Abschluss, bei denen Anhaltspunkte (triggering event) für eine Wertminderung (impairment loss) vorliegen.

Passivposten: Rückstellungen

Neben den sich möglicherweise aus Restrukturierungsmaßnahmen ergebenden Rückstellungstatbeständen sind in der Automobilindustrie insbesondere bestehende vertragliche Verpflichtungen auf Verlustrisiken zu überprüfen. Mögliche Gründe für die Bildung von Rückstellungen bei Automobilproduzenten können wertmäßig gesunkene Gegenleistungsansprüche, Schadensersatzverpflichtungen aus Absatzverträgen aufgrund verzögerter Lieferungen an OEM’s, Schadensersatzverpflichtungen aus Beschaffungsverträgen bei fehlender Abnahme, sinkende Verkaufserlöse als Resultat von geplanten Notverkäufen, Abnahmeverpflichtungen von Produkten oder Dienstleistungen, die nicht (mehr) benötigt werden sein. Aber auch Leerstände und Überkapazitäten können zu Rückstellungen oder Wertkorrekturen führen.

Auswirkungen auf die Gewinn- und Verlustrechnung

Neben den ertragsmäßigen Auswirkungen der bilanziellen Korrekturen sind einzelne Posten der Gewinn- und Verlustrechnung auch unmittelbar betroffen. Nachfolgend betrachten wir exemplarisch die Umsatzerlöse und Leasingverhältnisse:

Umsatzerlöse

Voraussetzung für die Umsatzrealisierung nach IFRS 15.9 ist, dass der Erhalt einer Gegenleistung wahrscheinlich (probable) ist. Da die Corona-Pandemie bei nicht wenigen Kunden zu einer signifikanten Verschlechterung ihrer Fähigkeit zur Zahlung der vereinbarten Gegenleistung führt, sind auch bereits bestehende Verträge neu zu beurteilen.

Leasing

Aufgrund der Finanzierungslast bei den Automobilzulieferern wird von diesen oft das Finanzierungsinstrument des Leasings verwendet. Im Zuge der Corona-Pandemie räumen manche Leasinggeber Erleichterungen in Form von Stundung oder (teilweisem) Erlass von Miet- und Leasingzahlungen ein. Während handelsrechtlich die Stundung von Leasing- und Mietzahlungen nur zu einer Verschiebung der Zahlung führt, nicht jedoch zur Verschiebung des Aufwandes, ist nach bisheriger Regelung des IFRS 16 eine vollständige Neubeurteilung der Leasingverhältnisse erforderlich. Aufgrund der Corona-Pandemie hat der IASB am 27. Mai 2020 den Ergänzungsstandard „COVID-19-bezogene Mietkonzessionen“ herausgegeben. Leasingnehmern wird die Möglichkeit einer Befreiung von der Beurteilung gewährt, ob eine auf die Corona-Pandemie bezogene Mietkonzession eine Leasingmodifikation ist. Der Erstanwendungszeitpunkt dieser optionalen Erleichterung wurde auf den 1. Juni 2020 festgesetzt.

Berichterstattung

Warth & Klein Grant Thornton hat in einer Studie über 160 veröffentlichte Abschlüsse, darunter auch die aller großen OEM, im Hinblick auf die Corona-Berichterstattung untersucht. Die Ausführungen in Anhang und Lagebericht haben unterschiedliche Ausprägungen und eine „best practice“ lässt sich noch nicht einheitlich erkennen. Sprechen Sie in Zweifelsfragen unsere Experten der Industriegruppe Automotive an.

 

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