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Brexit

Ende der Übergangsfrist steht kurz bevor – jetzt reagieren!

Die Uhr tickt, das Ende der Übergangszeit steht kurz bevor. Währenddessen läuft den Unternehmen die Zeit davon, sich auf den Brexit vorzubereiten. Bis zum Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU verbleiben nur noch wenige Wochen. Bei allem, was in diesem Jahr geschehen ist, vergisst man leicht, dass die Brexit-Übergangsfrist am 31. Dezember 2020 endet. Unser Experte Frank Schmid gibt einen Überblick über den Stand der Verhandlungen, die Marktsituation und beschreibt, worauf sich Unternehmen der Automobilbranche fokussieren müssen. Die Entwicklung der Brexit Verhandlungen im Überblick:

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Mit verstreichen des 1. Juli 2020, wurde klar, dass die britische Regierung an ihrer Entscheidung festhält, keinen Antrag auf Verlängerung der Brexit-Verhandlungen zu stellen. Nun verbleibt Großbritannien und der EU nur noch ein Zeitraum von wenigen Wochen, um ein Austrittsabkommen auszuhandeln oder aber das Worst-Case-Szenario – den harten Brexit – eintreten zu lassen. Obwohl die Verhandlungen weiterlaufen, sind nur geringe Fortschritte ersichtlich.

Vor dem entscheidenden Treffen des Europäischen Rates am 15. Oktober 2020, haben wir in den letzten Wochen miterlebt, dass die Rhetorik beider Seiten immer lauter wurde. Der britische Premierminister hat dieses Datum als den „Zeitpunkt“ bezeichnet, für den beide Seiten einen "No Deal Brexit" vorbereiten sollten, sollte immer noch keine Einigung erzielt werden.

Wie wir in den letzten vier Jahren gelernt haben, ist es schwer zu sagen, wie viel von dem, was die Regierung sagt, Polemik ist, um die britischen Wähler zu beeinflussen und wie viel davon tatsächlich Politik ist, die in die Tat umgesetzt werden soll. Auch wenn es den Anschein erwecken mag, dass beide Seiten weit entfernt von einer Einigung sind, sind wir immer noch da, wo wir in 2019 bereits waren. Viele Meinungsverschiedenheiten und Konfrontationen, dann Zugeständnisse und Erzielung einer Einigung in letzter Minute. Könnte sich die Geschichte jetzt wiederholen? Das ist schwer einzuschätzen.

Chancen des No Deal-Brexit steigen, Einigung ist dennoch möglich

Der zentrale Unterschied zwischen dieser Frist und der vorhergehenden ist die Zusammensetzung des House of Common (britisches Parlament). Während das letzte Parlament gegen einen "No Deal Brexit" stimmte, scheinen die Dinge heute anders zu liegen. Hinter Boris Johnson steht eine große Mehrheit, die seiner No-Deal-Ideologie folgt. Einfach gesagt: Die Spielregeln haben sich verändert. Die zunehmenden Provokationen der vergangenen Wochen in Verbindung mit einer parlamentarischen Mehrheit für einen No Deal Brexit stellt ein größeres Risiko dar als je zuvor. Dennoch hat Boris Johnson seine Bereitschaft gezeigt, flexibel zu sein, um doch noch einen Deal auszuhandeln. Wir werden in Kürze wissen, ob beim Brexit der Pragmatismus die Ideologie schlägt.

Die Mehrheit glaubt immer noch nicht, dass ein No Deal Brexit planbar ist, ist er aber doch

Die meisten Unternehmen der Automobilbranche haben sich bereits über den Brexit Gedanken gemacht, jedoch fühlt sich die Mehrheit immer noch nicht in der Lage, ihre Planung hierauf auszurichten. Allzu oft glauben die Unternehmen, dass ein Abkommen die Notwendigkeit von Verhaltens und Planänderungen überflüssig macht. Dies ist jedoch nicht der Fall. Unabhängig davon, ob eine Einigung zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU erzielt wird, stehen Veränderungen bevor. Mit oder ohne Abkommen: Großbritannien wird aus dem Binnenmarkt und der Zollunion ausscheiden und das Grundrecht der Freizügigkeit von EU-Bürgern innerhalb Großbritanniens zum 1. Januar 2021 wegfallen. Diese Umstände erfordern möglicherweise, dass Unternehmen der Automobilbranche Maßnahmen ergreifen müssen. Die meisten der notwendigen Schritte sind die gleichen, unabhängig davon, ob der Deal geschlossen wird, oder nicht.

Vorratspuffer für No-Deal Brexit kommt wieder

Im Vorfeld früherer Brexit-Fristen versuchten viele Unternehmen, sich vor möglichen Lieferhindernissen bei der Grenzüberschreitung zu schützen, indem sie zusätzliche Vorratspuffer aufbauten. Dies geschieht nun erneut. Die Unternehmen der Automobilbranche haben aus der Vergangenheit gelernt und ihren Ansatz verfeinert, indem sie nun strategischer vorgehen und die  verfügbaren Lagerkapazitäten vor Ort besser ausnutzen, anstatt zusätzliche anzumieten. Die Unternehmen planen, auf allen Ebenen, von Fertigerzeugnissen bis hin zu Ersatzteilen, weitere Lagerbestände aufzubauen.

Wesentliche Unterschiede zwischen Deal und No-Deal Brexit

Wenn man davon spricht, dass es sich bei einem Brexit-Abkommen um ein rudimentäres Abkommen handelt, das lediglich die grundlegendsten Vereinbarungen umfasst, könnte man schnell annehmen, dass der Abschluss eines Abkommens für Unternehmen nicht wichtig sei. Aus Gesprächen mit Unternehmen der Automobilbranche und der amtierenden britischen Regierung geht jedoch klar hervor, dass diese Annahme fern von jeder Realität ist. Während ein Freihandelsabkommen (FTA) für die Dienstleistungsindustrie vielleicht wenig bietet, ist es für andere Branchen, insbesondere für die Automobilindustrie, von unschätzbarem Wert.

In Branchen mit integrierten Lieferketten ist man auf den grenzüberschreitenden Warenverkehr angewiesen, vor allem mit potenziell hohen Zöllen, wie in der Automobilbranche, aber auch in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, und diese warten verzweifelt auf ein Abkommen. Automobilunternehmen sehen sich mit Zollschranken von 10-22% allein für Fertigwaren konfrontiert. Ein Abkommen, das diese auf null reduziert, ist für sie überlebenswichtig. Diese Besorgnis greift auch auf den öffentlichen Sektor über, denn die lokalen Behörden sind sich der wirtschaftlichen Zusammensetzung ihrer Regionen bewusst und zeigen sich besorgt über die tiefgreifenden Auswirkungen, die ein Scheitern der Verhandlungen mit sich bringen wird.

Wie wappnet sich die Automobilbranche für den Brexit?

Während sich die Aufmerksamkeit der Branche im Hinblick auf die Corona-Pandemie auf das Jahr 2021 verlagert, ist es kaum verwunderlich, dass der bevorstehende Brexit auf der Agenda rasch nach oben rückt. Nur noch wenig Zeit bleibt für die Vorbereitung: Was sagen die Unternehmen, wie geht es mit den Verhandlungen weiter, und was können Sie tun, um Risiken zu minimieren und potenzielle Chancen zu nutzen?

Was hören wir von Mandanten über den Brexit?

Verwirrung über die Brexit-Zolltarife-Zeitpläne: In Vorbereitung auf frühere "No-Deal-Brexit"-Fristen kündigte die britische Regierung vorläufige Zolltarife an, die in Kraft treten würden, sollte Großbritannien die EU ohne ein Abkommen verlassen. Viele Unternehmen haben Forecasts und Simulationen erstellt, um die potenziellen Auswirkungen zu verstehen. Unternehmen haben die Nachricht von den neuen Zeitplänen der britischen Regierung verpasst. Es herrscht auch weiterhin Verwirrung darüber, welche bestehenden Handelsabkommen übernommen werden sollen und welche Regelungen über den Status Nordirlands in den Brexit-Verhandlungen getroffen werden.

Lieferketten: sowohl kritisches Risiko als auch Chance: Im Zusammenhang mit dem oben genannten Punkt, nehmen viele Unternehmen ihre Lieferketten genauer unter die Lupe und versuchen, diese so widerstandsfähig wie möglich zu machen. Während das Corona-Virus jene Lieferketten bereits auf die Probe gestellt und Stärken und Schwächen offengelegt hat, wird der Brexit andere Herausforderungen mit sich bringen. Kunden, die Produkte über den INCOTERM "Delivered Duty Paid" (DDP) beschaffen, möchten wissen, ob dies auch nach dem Brexit fortgesetzt werden kann oder ob sich die Bedingungen ändern werden. Andere fragen sich, ob zum einen ihre internationalen Lieferanten auf neue regulatorische Hindernisse vorbereitet sind und zum anderen ob inländische Alternativen möglich wären.

Der Wandel birgt jedoch auch Chancen. So arbeiten sich bereits jetzt viele Unternehmen durch den neuen britischen Zolltarifplan und überarbeitete Handelsabkommen, um zu verstehen, ob sie neue Lieferanten finden und ihre Kosten für die Zeit nach dem Brexit senken können.

Wie geht es weiter?

Wenn man auf das EU-Austrittsabkommen als eine Art Präzedenzfall schaut, können wir sicher sein, dass auch jetzt in letzter Minute noch viel Bewegung in die Sache kommt uns kurz vor Fristablauf ein Deal ausgehandelt wird.

Was können Sie tun?

Bereiten Sie sich auf einen harten Brexit vor: Die Tatsache, dass Großbritannien nach Ablauf der Übergangsfrist ohne Abkommen austritt, stellt für viele ein Worst-Case-Szenario dar. Bereiten Sie sich darauf vor und stellen Sie sicher, dass Sie, was auch immer geschieht, bestens gerüstet sind.

Alte Brexit-Pläne überarbeiten: Stellen Sie sicher, dass alle bestehenden Vorbereitungen weiterhin gültig sind. Folgende Punkte sollten Sie unbedingt berücksichtigen:

  • Hat es personelle Veränderungen gegeben?
  • Waren Ihre Annahmen korrekt (zum Beispiel Zölle)?
  • Wie hat sich die Corona-Pandemie auf Ihre Pläne ausgewirkt (zum Beispiel wurden Sie gezwungen, Lieferanten zu wechseln)?

Verpassen Sie nicht Ihre Chancen: Schnell können mögliche Chancen aus den Augen verloren werden, wenn man sich so sehr auf die potenziellen Risiken fokussiert. Für die meisten Unternehmen mag das Jahr 2020 sehr hart gewesen sein, aber die Schritte, die zur Vorbereitung auf den Brexit unternommen wurden, werden möglicherweise schon bald Früchte tragen. Die Vorbereitung auf die Übergangszeit bedeutete, dass einige Unternehmen bereits Kosten gesenkt haben und über mehr finanzielle Mittel verfügten, als ihnen sonst zur Verfügung gestanden hätte. Ebenso hat der Lockdown das Krisenmanagement vieler Unternehmen auf die Probe gestellt. Diese Erfahrung könnte Ihnen jetzt zugutekommen, um mit den Auswirkungen des Brexit am Ende des Jahres umzugehen. Nutzen Sie die Vorbereitung auf den Brexit als eine Gelegenheit, Ihr Unternehmen widerstandsfähiger und flexibler zu machen - und verbessern Sie Ihr Geschäft unabhängig vom Ergebnis. Denn eines ist sicher: Nach vier Jahren erfordert der Brexit weiterhin Ihre volle Aufmerksamkeit.

 

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