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Vergaberecht

Keine Beschränkung von Unteraufträgen auf 30%

Der Beitrag wurde verfasst von Dr. Bettina Tugendreich, Partnerin, Rechtsanwältin der Raue Partnerschaft von Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen mbB

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat am 26. September 2019 entschieden, dass eine nationale Regelung, wonach die Vergabe von Unteraufträgen auf 30 % des Gesamtwertes des Auftrags zu beschränken ist, nicht im Einklang mit dem europäischen Vergaberecht steht.

Das nationale italienische Recht sieht vor, dass die etwaige Vergabe von Unteraufträgen den Wert von 30 % des Gesamtbetrags von Bau-, Dienstleistungs- oder Dienstaufträgen nicht überschreiten darf. Im August 2016 schrieb die Vergabestelle in einem nicht offenen Verfahren die Vergabe der Erweiterung der fünften Fahrspur der A8 zwischen Mailand Nord und der Anschlussstelle Lainate für einen Grundbetrag von 85 Millionen Euro (netto) aus. Das Unternehmen Vitali wurde vom Verfahren ausgeschlossen, weil es die nach dem nationalen Recht vorgesehene Grenze für die Vergabe von Unteraufträgen in Höhe von 30 % nicht einhielt. Dagegen setzte sich das Unternehmen Vitali zur Wehr mit dem Ziel, wieder zum Vergabeverfahren zugelassen zu werden. Das in Italien zuständige Verwaltungsgericht setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:

Stehen die Grundsätze der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs, die in den Artikeln 49 und 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankert sind, sowie Artikel 71 der Richtlinie 2014/24 EU, der für die Vergabe von Unteraufträgen keine quantitativen Beschränkungen vorsieht, und der unionsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Anwendung einer nationalen Regelung über die öffentliche Auftragsvergabe wie der Italienischen […] entgegen, nach der die Vergabe von Unteraufträgen die Quote von 30 % des Gesamtbetrags des Vertrags über Bauleistungen, Dienstleistungen oder Lieferungen nicht überschreiten darf?

Zunächst einmal betont der EuGH, dass es Ziel der europäischen Vergaberichtlinie ist, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge namentlich die Beachtung des freien Warenverkehrs, der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs sowie sich daraus ergebende Grundsätze, insbesondere die Gleichbehandlung, die Nichtdiskriminierung, die Verhältnismäßigkeit und die Transparenz zu wahren und sicherzustellen, dass das öffentliche Auftragswesen für den Wettbewerb geöffnet wird. Hiervon ausgehend, so der EuGH weiter, sieht Artikel  63 Absatz 1 der Vergaberichtlinie 2014/24/EU im Einzelnen ausdrücklich vor, dass Bieter sich der Kapazitäten anderer Unternehmen bedienen können, um bestimmte Kriterien für die Eignung von Wirtschaftsteilnehmern zu erfüllen. Mit dieser Möglichkeit werde der Wettbewerb im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe geöffnet bzw. erheblich erweitert. Abstrakte Beschränkungen auf einen bestimmten Prozentsatz des Nachunternehmereinsatzes seien mit diesen Vorgaben der europäischen Vergaberichtlinie nicht vereinbar. Zwar sehe Artikel 71 der Vergaberichtlinie 2014/24/EU die Möglichkeit vor, von den Bietern Aussagen zu den Nachunternehmen und ihrem Einsatz verlangen zu können. Daraus folge aber nicht der Wille des Unionsgesetzgebers, den Rückgriff auf Nachunternehmer auf einen bestimmten Prozentsatz begrenzen zu können.

Der EuGH wies unter anderem das Argument Italiens zurück, dass die Vergabe von Unteraufträgen die Umsetzungen krimineller Absichten erleichtere. Die italienische Regierung betonte ganz konkret, dass die 30 %-Regelung es für kriminelle Organisationen wie die Mafia weniger attraktiv mache, diese Bereiche mit ihren Unternehmen zu infiltrieren. Der EuGH erwiderte auf dieses Argument, dass die europäische Vergaberichtlinie ausreichend Möglichkeiten vorsehe, auch Nachunternehmen wegen möglicher Beteiligungen an kriminellen Vereinigungen, Bestechung und Betrug von Vergabeverfahren auszuschließen.

Praxishinweis

Das sogenannte Selbstausführungsgebot ist auch in der deutschen Vergaberechtspraxis immer wieder ein Thema. In § 6d EU VOB/A 2016 bzw. § 36 der Vergabeverordnung (VgV) werden bestimmte Voraussetzungen und Bedingungen für den Nachunternehmereinsatz aufgestellt. Aus diesen Bestimmungen lässt sich aber keine grundsätzliche Beschränkung der Höhe nach für den Einsatz von Nachunternehmern ableiten. In konkreten Einzelfällen, insbesondere in kritischen Branchen, wird es aber gestattet sein, entsprechende Beschränkungen vorzusehen. Angesichts der aktuellen Entscheidung des EuGH sollte der Einsatz dieses Instrumentariums genau geprüft werden, bevor es zum Einsatz kommt.