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Bundesverfassungsgericht

Hohe Steuerzinsen verfassungswidrig

Mit einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 8. Juli 2021 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass eine Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen nach § 233a der Abgabenordnung (AO) insoweit verfassungswidrig ist, soweit der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014 ein Zinssatz von monatlich 0,5 % zugrunde gelegt wird.

§ 233a AO regelt die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen. Die Verzinsung betrifft den Zeitraum zwischen der Entstehung der Steuer und ihrer Festsetzung. Der Zinslauf beginnt regelmäßig erst nach einer zinsfreien Karenzzeit von grundsätzlich 15 Monaten. Von der Vollverzinsung betroffen sind damit lediglich diejenigen Steuerpflichtigen, deren Steuer erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums nach der Entstehung des Steueranspruchs erstmalig festgesetzt oder geändert wird. Praktisch bedeutsam sind insoweit insbesondere (geänderte) Steuerfestsetzungen nach einer Außenprüfung. Die Zinsen betragen für jeden vollen Monat des Zinslaufs 0,5%, das heißt 6% jährlich. Die Vollverzinsung wirkt sowohl zugunsten (im Fall der Steuererstattung) als auch zuungunsten (im Fall der Steuernachforderung) der Steuerpflichtigen.

Das BVerfG stellt fest: Die Unterscheidung zwischen Steuerschuldnern, bei denen eine Verzinsung einer Steuernachforderung mit einem Zinssatz von monatlich 0,5% nach Ablauf einer zinsfreien Karenzzeit von grundsätzlich 15 Monaten erfolgt und deren Steuer erst nach Ablauf der Karenzzeit festgesetzt wird und Steuerschuldnern, deren Steuer bereits innerhalb der Karenzzeit endgültig festgesetzt wird, verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG).

Das BVerfG erachtet diese Ungleichbehandlung für die Jahre 2010 bis 2013 noch als verfassungsgemäß. Aufgrund des seit der Finanzkrise 2008 stetig sinkenden allgemeinen Zinsniveaus sei die Vollverzinsung mit dem Zinssatz von 0,5% pro Monat für Verzinsungszeiträume ab 2014 jedoch nicht mehr erforderlich und verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 Absatz 1 GG.

Die Unvereinbarkeit der Verzinsung nach § 233a AO mit dem Grundgesetz umfasst ebenso die Erstattungszinsen zugunsten der Steuerpflichtigen. In diesen Fällen ist das bislang geltende Recht für bis einschließlich in das Jahr 2018 fallende Verzinsungszeiträume weiter anwendbar. Für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2019 sind die Vorschriften dagegen nicht anwendbar.

Der Gesetzgeber wird verpflichtet, bis zum 31. Juli 2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen.

 

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