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Beratungspraxis Unternehmenssteuern

Unser Thema im Juli: "Ertragsteuerliche Organschaft: Neuregelung der Behandlung organschaftlicher Minder- und Mehrabführungen."

Durch das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG, BGBl I S. 2050) wird unter anderem die Behandlung der in organschaftlicher Zeit verursachten Minder- und Mehrabführungen für steuerliche Zwecke geändert. Die Bundesregierung geht allein aufgrund dieser Änderung von Steuermehreinnahmen in Höhe von 30 Millionen Euro aus (Referentenentwurf zum KöMoG vom 17.03.2021, Seite 15). Wir erläutern Ihnen, welche Fallkonstellationen von der Neuregelung betroffen sind, welche Konsequenzen sich ergeben und wie das Übergangswahlrecht genutzt werden kann.

Hintergrund

Eine ertragsteuerliche Organschaft erfordert einen zivilrechtlich wirksamen Ergebnisabführungsvertrag. Hierdurch verpflichtet sich die Organgesellschaft, ihr gesamtes handelsrechtliches Ergebnis an den Organträger abzuführen. Der Organträger verpflichtet sich, sämtliche Verluste der Organgesellschaft auszugleichen. Im Ergebnisabführungsvertrag ist ein dynamischer Verweis auf § 302 des Aktiengesetzes (AktG) erforderlich. Sofern der handelsrechtliche Jahresüberschuss der Organgesellschaft vom steuerlichen Gewinn abweicht (zum Beispiel aufgrund von Ansatz- oder Bewertungsbeschränkungen, wie bei selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgütern oder bei Pensionsrückstellungen), ergibt sich eine Minder- oder Mehrabführung der Organgesellschaft an den Organträger in Höhe der Handelsbilanz- zur Steuerbilanzabweichung. Diese Minder- oder Mehrabführung kann in Sachverhalten begründet sein, die

  1. in Veranlagungszeiträumen stattfanden, die vor Gültigkeit der Organschaft liegen (sogenannte vororganschaftliche Minder- und Mehrabführungen), oder
  2. in Veranlagungszeiträumen stattfanden, während die Organschaft bestand (sogenannte organschaftliche Minder- und Mehrabführungen)

Vororganschaftliche Minderabführungen gelten weiterhin als (verdeckte) Einlage des Organträgers an die Organgesellschaft und entsprechend vororganschaftliche Mehrabführungen als (verdeckte) Gewinnausschüttung der Organgesellschaft an den Organträger. Das KöMoG führt nun aber zu einer Neuregelung bei organschaftlichen Minder- und Mehrabführungen, also solchen, die in Sachverhalten begründet sind, die in Veranlagungszeiträumen stattfanden, während die Organschaft besteht.

Neuregelung für organschaftliche Minder- und Mehrabführungen („Einlagelösung“)

Bisher bilanzierte der Organträger in der Steuerbilanz einen aktiven organschaftlichen Ausgleichsposten für in organschaftlicher Zeit verursachte Minderabführungen beziehungsweise einen passiven organschaftlichen Ausgleichsposten für in organschaftlicher Zeit verursachte Mehrabführungen. Mit der Bildung von steuerlichen Ausgleichsposten wird eine Doppel- oder Nichtbesteuerung im Falle der späteren Veräußerung der Organbeteiligung vermieden. Für organschaftliche Minder- und Mehrabführungen nach dem 31. Dezember 2021 erfolgt nun eine Umstellung auf die Einlagenlösung. Das heißt, dass

  • organschaftliche Minderabführungen als Einlage durch den Organträger in die Organgesellschaft zu behandeln sind, sodass beim Organträger der Beteiligungsbuchwert der Organgesellschaft zu erhöhen ist und
  • organschaftliche Mehrabführungen als Einlagenrückgewähr der Organgesellschaft an den Organträger gelten.

Was zunächst wie eine simple Umgliederung in der Steuerbilanz des Organträgers erscheint, kann im Einzelfall zu einer steuerlichen Mehrbelastung des Organträgers oder der Gesellschafter des Organträgers führen.

Auswirkung der Neuregelung bei organschaftlicher Minderabführung

  1. Ebene Organgesellschaft

Eine organschaftliche Minderabführung führt zu einer Erhöhung des steuerlichen Einlagekontos nach § 27 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) der Organgesellschaft. Im Rahmen der Steuererklärung der Organgesellschaft ist mithin darauf zu achten, dass der Zugang entsprechend erklärt wird.

  1. Ebene Organträger

Eine organschaftliche Minderabführung führt in voller Höhe der Minderabführung zu einer Erhöhung des Beteiligungsbuchwertes an der Organgesellschaft in der Steuerbilanz. Es erfolgt keine Begrenzung auf die Beteiligungsquote. Es ergibt sich dann hinsichtlich des Beteiligungsbuchwertes eine Abweichung zwischen Handels- und Steuerbilanz, die in der Handelsbilanz zu latenten Steuern führen kann. Unklar ist, ob die Erhöhung des Beteiligungsbuchwertes in der Steuerbilanz ertragswirksam oder gegen das Kapitalkonto erfolgt. Sofern ein Ertrag ausgewiesen wird, ist dieser außerbilanziell zu korrigieren, sodass es nicht zu einer doppelten Besteuerung kommt.

Auswirkung der Neuregelung bei organschaftlicher Mehrabführung

  1. Ebene Organgesellschaft

Eine organschaftliche Mehrabführung führt zu einer Einlagenrückgewähr der Organgesellschaft an den Organträger. Das steuerliche Einlagekonto nach § 27 KStG der Organgesellschaft soll vorrangig vor anderen Leistungen der Gesellschaft gemindert werden (§ 27 Absatz 6 KStG neue Fassung). Eine Begrenzung auf den ausschüttbaren Gewinn erfolgt nicht. Das steuerliche Einlagekonto der Organgesellschaft kann also durch in organschaftlicher Zeit verursachte Mehrabführungen negativ werden.

  1. Ebene Organträger bzw. dessen Gesellschafter

Eine organschaftliche Mehrabführung führt in der Steuerbilanz zu einer Minderung des Beteiligungsbuchwertes an der Organgesellschaft. Hierdurch ergibt sich eine Abweichung zwischen Handels- und Steuerbilanz, die zu latenten Steuern führen kann.

Wesentliche Bedeutung hat diese Neuregelung in Fällen, in denen eine organschaftliche Mehrabführung den steuerbilanziellen Buchwert der Beteiligung an der Organgesellschaft übersteigt. Dieser Buchwert kann nicht negativ werden. Der übersteigende Betrag der Mehrabführung ist mithin als steuerpflichtiger Ertrag in der Steuerbilanz zu erfassen. Da es sich hierbei um einen Ertrag im Zusammenhang mit der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft handelt, greifen je nach Rechtsform des Organträgers unterschiedliche Steuerbefreiungen.

Ist Organträgerin eine körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft oder eine Personengesellschaft, an der ausschließlich körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaften beteiligt sind, ist der Ertrag aus der Mehrabführung grundsätzlich zu 95% steuerfrei nach § 8b KStG. In Einzelfällen ist eine Belastung der gesamten Mehrabführung mit Gewerbesteuer denkbar. Ist Organträgerin eine Personengesellschaft, an der (auch) natürliche Personen beteiligt sind, ist insoweit der Ertrag aus der Mehrabführung grundsätzlich zu 40% steuerfrei nach § 3 Nummer 40 des Einkommensteuergesetzes (EStG). In Einzelfällen ist auch hier eine Belastung der gesamten Mehrabführung mit Gewerbesteuer denkbar.

Übergangsregelung

Die Einlagelösung soll für Minder- und Mehrabführungen gelten, die nach dem 31. Dezember 2021 erfolgen. Beim Organträger sind noch bestehende Ausgleichsposten für organschaftliche Minder- und Mehrabführungen in dem Wirtschaftsjahr aufzulösen, das nach dem 31. Dezember 2021 endet (§ 34 Absatz 6e KStG). Soweit es aufgrund dieser Auflösung bestehender passiver organschaftlicher Ausgleichsposten zu einem steuerpflichtigen Ertrag kommt, kann eine Rücklage gebildet werden, die im Wirtschaftsjahr der Bildung und in den neun folgenden Wirtschaftsjahren zu je einem Zehntel aufzulösen ist. Die (verbleibende) Rücklage ist in vollem Umfang aufzulösen, wenn die Organgesellschaft veräußert, aufgelöst, auf eine Personengesellschaft oder natürliche Person umgewandelt oder verdeckt in eine andere Gesellschaft eingelegt wird. Insoweit erfolgt zwar eine Verteilung über einen maximal zehnjährigen Zeitraum, jedoch wäre ohne die Gesetzesänderung der Ausgleichsposten im Regelfall erst bei Veräußerung der Organbeteiligung bzw. bei Beendigung der Organschaft aufzulösen gewesen. Insoweit kann es zu einem Vorziehen des Ertragsausweises kommen. § 8b Absatz 2 und 3 KStG sowie § 3 Nummer 40c EStG sind bei Rücklagenbildung nicht auf den Ertrag aus der Auflösung des bestehenden passiven organschaftlichen Ausgleichsposten anzuwenden, sondern auf den Ertrag aus der Auflösung der Rücklage.

Detailfragen zur Neuregelung sind ungeklärt. So ist fraglich, ob im Zuge der Einlagelösung eine Saldierung von organschaftlichen Mehr- und Minderabführungen innerhalb eines Wirtschaftsjahres geboten ist. Allerdings ist durchaus positiv herauszustellen, dass mit der Einlagelösung eine oftmals lange Fortführung von steuerlichen Ausgleichsposten entfällt. Insoweit trägt diese Lösung zur Vereinfachung bei.

Fazit

Die Neuordnung durch das KöMoG kann vor allem in Fällen, in denen derzeit ein passiver Ausgleichsposten für in organschaftlicher Zeit verursachte Mehrabführungen besteht, sowie in Fällen, in denen es nach dem 31. Dezember 2021 zu in organschaftlicher Zeit verursachten Mehrabführungen kommt, zu einer (erheblichen) steuerlichen Mehrbelastung des Organträgers oder der Gesellschafter des Organträgers führen.

Die Experten von Warth & Klein Grant Thornton beraten Sie gerne zu sämtlichen Fragen und Gestaltungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit Organschaften.

Vereinfachendes Beispiel zu Minderabführungen

Die Organträgerin A-GmbH (OT) hält 90% der Anteile an der Organgesellschaft B-GmbH (OG, TEUR 90). Auf Ebene der A-GmbH besteht in der Steuerbilanz zum 31.12.2022 ein passiver organschaftlicher Ausgleichsposten in Höhe von TEUR 50. Darüber hinaus ergibt sich zum 31.12.2022 eine organschaftliche Minderabführung in Höhe von TEUR 100. Das steuerliche Einlagekonto der B-GmbH beträgt auf den 31.12.2021 (Vorjahr) TEUR 30.

Buchungssatz auf Ebene der A-GmbH (OT)

Beteiligung B-GmbH  100 an Kapital 100

Passiver AP 50 an Beteiligung B-GmbH 50

Auswirkungen auf Ebene der B-GmbH (OG)

Bei der B-GmbH erhöht sich das steuerliche Einlagekonto von TEUR 30 um TEUR 100 auf TEUR 130. Bitte beachten Sie, dass es nicht rechtssicher ist, ob das steuerliche Einlagenkonto der Organgesellschaft außerdem aufgrund der Auflösung des passiven organschaftlichen Ausgleichspostens auf Ebene der Organträgerin zu mindern ist.

Vereinfachendes Beispiel zu Mehrabführungen

Die Organträgerin A-GmbH hält 90% der Anteile an der Organgesellschaft B-GmbH (TEUR 90). Auf Ebene der A-GmbH besteht in der Steuerbilanz zum 31.12.2022 ein passiver organschaftlicher Ausgleichsposten in Höhe von TEUR 50. Darüber hinaus ergibt sich zum 31.12.2022 eine organschaftliche Mehrabführung in Höhe von TEUR 100. Das steuerliche Einlagekonto der B-GmbH beträgt auf den 31.12.2021 (Vorjahr) TEUR 30.

Buchungssatz auf Ebene der A-GmbH (OT)

Kapital 100 an Beteiligung B-GmbH 90

               Ertrag aus Mehrabführung 10

Passiver AP 50 an Ertrag (passiver AP) 50

Aufwand (Rücklage § 34 Absatz 6 KStG) 50 an Rücklage (§ 34 KStG Absatz 6e KStG) 50

Bitte beachten Sie, dass es nicht rechtssicher ist, ob in diesem Fall eine Rücklage nach § 34 Absatz 6e KStG gebildet werden darf. Es ist unklar, ob in der zeitlichen Reihenfolge zunächst

a) der Ertrag aus der Mehrabführung gegen den Beteiligungsbuchwert zu buchen ist, oder

b) der passive AP gegen den Beteiligungsbuchwert aufzulösen wäre.

Im zuletzt genannten Fall ergäbe sich aus der Auflösung des passiven organschaftlichen Ausgleichspostens kein Ertrag und somit auch keine Berechtigung zur Bildung einer Rücklage. Nach unserer Auffassung sollte in diesem Fall eine Rücklagenbildung sachgerecht sein.

Zum 31.12.2022 ist außerdem die Rücklage zu einem Zehntel aufzulösen

Rücklage § 34 Absatz 6 KStG 5 an Ertrag (Auflösung Rücklage) 5

Der Ertrag aus der Mehrabführung (TEUR 10) sowie der Ertrag aus der Auflösung der Rücklage (TEUR 5) unterliegt der Besteuerung zu 5% (§ 8b Absatz 2, 3 KStG). Das zu versteuernde Einkommen sowie der maßgebliche Gewerbeertrag aus diesem Sachverhalt beträgt TEUR 0,75.

Auswirkungen auf Ebene der B-GmbH (OG)

Bei der B-GmbH mindert sich das steuerliche Einlagekonto von TEUR 30 um /. TEUR 100 auf TEUR ./. 70.

 

 

Aktuelle Beratungshinweise - kurz notiert

  • Anwendungsfragen zur Verlängerung der Steuererklärungsfrist und der zinsfreien Karenzzeit durch das Gesetz vom 25. Juni 2021 (BMF-Schreiben vom 20. Juli 2021): Angesichts der durch die Corona-Pandemie verursachten Ausnahmesituation wurden die Erklärungsfristen (§ 149 Absatz 2 und 3 AO) und die zinsfreie Karenzzeit (§ 233a Absatz 2 AO) für den Veranlagungszeitraum 2020 durch Artikel 97 § 36 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung im Rahmen des ATAD-Umsetzungsgesetz vom 25. Juni 2021 um drei Monate verlängert. Dies gilt insbesondere für die Erklärung zur Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie die Umsatzsteuerjahreserklärung. Das BMF-Schreiben soll die sich hieraus ergebenden Anwendungsfragen (unter anderem zum Verspätungszuschlag) beantworten.
  • Bund beschließt umfangreiches Hilfspaket für Hochwasserregionen: Das Bundeskabinett hat am 21. Juli 2021 schnelle und unbürokratische Finanzhilfen auf den Weg gebracht, um die vom Hochwasser betroffenen Regionen finanziell zu unterstützen. Außerdem hat das Bundesfinanzministerium steuerlichen Erleichterungen durch die Bundesländer zugestimmt und im Bereich der vom Zoll verwalteten Steuerarten steuerliche Erleichterungen veranlasst. Die Finanzministerien der Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben zwei inhaltsgleiche Erlasse vom 16. Juli 2021 zu den steuerlichen Maßnahmen zur Berücksichtigung der Schäden im Zusammenhang mit den Unwetterereignissen veröffentlicht.

 

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