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Beratungspraxis Unternehmenssteuern

Unser Thema im November: "Dividendenfreistellung gemäß § 8b KStG bei unterjährigem Hinzuerwerb von Anteilen"

Für viele Unternehmen geht das Geschäftsjahr auf die Zielgerade. Das ist häufig auch die Zeit, sich über Gewinnausschüttungen in Unternehmensgruppen Gedanken zu machen – sei es mit dem Ziel der Gewinnsteuerung, der Adjustierung der Eigenkapitalausstattung von Gruppengesellschaften oder der Schaffung hinreichender Gewinne auf Ebene der Muttergesellschaft für Ausschüttungen an die Gesellschafter im Folgejahr.

Dabei ist auch die Steuerbelastung auf konzerninterne Gewinnausschüttungen zu berücksichtigen. Zwischen Kapitalgesellschaften beträgt die Effektivbelastung aufgrund der 95-prozentigen Freistellung gemäß § 8b Absatz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) für die Körperschaftsteuer und des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs in der Regel nur etwa 1,5% (ohne Berücksichtigung von temporären Kapitalertragsteuerbelastungen aufgrund der Anrechnungsmöglichkeit im Inlandsfall). Hier ist jedoch zu beachten, dass diese weitgehenden Steuerfreistellungen Mindestbeteiligungsquoten zum Beginn des Kalenderjahres der Ausschüttung voraussetzen (Stichtagsprinzip!) und damit nicht für sogenannte Streubesitzdividenden gelten. So ist das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg nur anwendbar, wenn die Beteiligung bereits zu Beginn des betreffenden Erhebungszeitraums (Kalenderjahr) mindestens 15% des Grund- beziehungsweise Stammkapitals beträgt. Für die Körperschaftsteuerfreistellung setzt § 8b Absatz 4 KStG mit einer 10-prozentigen Mindestbeteiligung zu Jahresbeginn ein geringfügig niedrigeres Quorum, aber dafür eine unmittelbare Beteiligung voraus. Letzteres hat etwa in Organschaftsfällen zur Konsequenz, dass keine Steuerfreistellung eintritt, wenn nur durch Zusammenrechnung der Beteiligungen von Organträger und Organgesellschaft das 10%-Quorum erreicht wird. Über steuerliche Mitunternehmerschaften gehaltene Beteiligungen werden indes für § 8b KStG wie unmittelbare Beteiligungen anteilig zugerechnet. Werden vorgenannte Beteiligungserfordernisse nicht erfüllt, handelt es sich um sogenannten Streubesitz und Gewinnausschüttungen bleiben voll steuerpflichtig, werden also auch auf Ebene der die Ausschüttung empfangenden Kapitalgesellschaft mit Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer belastet.

Unterjähriger (Hinzu-)Erwerb einer Beteiligung

Eine Ausnahme vom strengen Stichtagsprinzip sieht § 8b KStG für erst im Laufe des Jahres hinzuerworbene mindestens 10-prozentige Beteiligungen vor. Diese gelten (nur) für Zwecke der Körperschaftsteuerbefreiung als bereits zu Beginn des Geschäftsjahres angeschafft und unterfallen somit nicht der Streubesitzregelung. Streitig ist, wieweit diese begünstigende Rückbeziehungsfiktion reicht.

Nach Auffassung der Finanzverwaltung handelt es sich um eine Härtefallregelung, die nur beim Ersterwerb oder Hinzuerwerb eines „Anteilspakets“ von mindestens 10% (Mindestbeteiligung) durch einen einzelnen Erwerbsvorgang gilt. Die Regelung sei indes nicht einschlägig, wenn eine Mindestbeteiligung durch verschiedene Erwerbsvorgänge in „Tranchen“ erworben wird oder eine bestehende Beteiligung von weniger als 10% (Streubesitz) durch einen Hinzuerwerb auf das erforderliche Quorum aufgestockt wird. Zudem gelte die Fiktion und damit die Steuerbefreiung nur für den Teil der Gewinnausschüttung, der auf eine neuerworbene Mindestbeteiligung entfällt, während der auf ggf. bereits zuvor bestehenden Streubesitz entfallende Teil steuerpflichtig bleibe. Dieses insgesamt restriktive Verständnis der Rückbeziehungsfiktion hat die OFD Frankfurt zuletzt in einer aktualisierten Verfügung vom 16. August 2021 (S 2750a A-027-St 52) dezidiert anhand von Fallbeispielen dargelegt, die sich - etwas verkürzt - wie folgt zusammenfassen lassen:

  • Keine Beteiligung zu Beginn des Jahres und unterjähriger Erwerb eines Anteilspakets von mindestens 10% durch einen Erwerbsvorgang: Rückbeziehungsfiktion anwendbar.

  • Nur Streubesitz zu Beginn des Jahres und Erreichung Mindestbeteiligungsschwelle durch unterjährigen Hinzuerwerb von unter 10%: Rückbeziehungsfiktion nicht anwendbar, da keine Mindestbeteiligung (10%) hinzuerworben wurde.

  • Nur Streubesitz zu Beginn des Jahres und unterjähriger Hinzuerwerb einer Mindestbeteiligung: Rückbeziehungsfiktion ist nur auf hinzuerworbene Mindestbeteiligung anwendbar; auf übrige Anteile entfallende Gewinnausschüttung bleibt steuerpflichtig.

  • Wie c), jedoch werden nach Erwerb der Mindestbeteiligung weitere Streubesitzanteile (jeweils weniger als 10%) erworben: Auch hier ist die Rückbeziehungsfiktion nur auf hinzuerworbene Mindestbeteiligung anzuwenden, auf übrige Anteile entfallende Gewinnausschüttung bleibt steuerpflichtig
  • Keine Beteiligung zu Beginn des Jahres und unterjähriger Erwerb einer Mindestbeteiligung durch mehrere Erwerbsvorgänge: Rückbeziehungsfiktion nicht anwendbar, da kein Erwerb einer Mindestbeteiligung in einem Erwerbsvorgang.

  • Unterjähriger (erstmaliger) Erwerb von 15% und Veräußerung von 10% noch im gleichen Jahr, danach Ausschüttung noch vor Jahresende: Rückbeziehungsfiktion anwendbar, auch wenn Steuerpflichtiger im Zeitpunkt der Ausschüttung nur noch zu weniger als 10% beteiligt.

Vorstehendes, streng am Wortlaut orientiertes Regelungsverständnis steht im Widerspruch zu einem Urteil des Finanzgerichts (FG) Hessen vom 15. März 2021 (Aktenzeichen 6 K 1163/17), das den Anwendungsbereich der begünstigenden Rückbeziehungsfiktion wesentlich weiter ziehen will. Danach soll die Steuerpflicht infolge der Streubesitzregelung nicht eintreten, wenn zu irgendeinem Zeitpunkt im Laufe des Kalenderjahres eine Beteiligungshöhe von mindestens 10% erreicht wurde. Im Urteilsfall wurde die Mindestbeteiligung durch drei zeitgleiche, unterjährige Erwerbe von drei unterschiedlichen Veräußerern erreicht. Nach Ansicht des Gerichts ist § 8b Absatz 4 KStG unter Berücksichtigung des Charakters der Norm als systemwidrige Ausnahmevorschrift dahin (einschränkend) auszulegen, dass die 10-prozentige Beteiligungsschwelle auch durch mehrere unterjährige Erwerbsvorgänge erreicht werden kann. Der vom Gesetzgeber verwendete Begriff „einer Beteiligung“ diene der Bestimmung der ideellen Summe der gesellschaftsrechtlichen Berechtigungen des Anteilseigners am Kapital beziehungsweise Gewinn einer Gesellschaft. Deshalb fielen unter den „Erwerb“ dieser (einen) Beteiligung alle Erwerbe, die im Laufe des Kalenderjahres zur Entstehung einer bestimmten prozentualen Beteiligungshöhe beigetragen haben.

Gegen diese Entscheidung hat die Finanzverwaltung Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegt (Aktenzeichen I R 16 /21). Die OFD Frankfurt weist in ihrer oben genannten Verfügung zwar auf das Urteil hin, hält jedoch an ihrer restriktiven Auslegung fest. Mit Verweis auf das Revisionsverfahren angestrengte Rechtsbehelfsverfahren sollen jedoch zumindest ruhend gestellt werden. Im Ergebnis ist die Rechtslage weiterhin unklar. Auch im Schrifttum werden unterschiedliche Auffassungen vertreten.

Praxishinweise

Wenn Streubesitzbeteiligungen von Kapitalgesellschaften erst im Laufe des Jahres auf die 10-prozentige Mindestbeteiligungshöhe aufgestockt wurden oder eine Mindestbeteiligung durch mehrere unterjährige Erwerbsvorgänge erworben wurde, sollten Gewinnausschüttungen frühestens zu Beginn des Folgejahres beschlossen und durchgeführt werden. Andernfalls droht eine Streubesitzstrafe in Form einer Definitivbelastung an Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag auf die Ausschüttung von 15,825% statt 0,791%. Zudem ist im Hinblick auf das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg eine Mindestbeteiligung zu Beginn des Kalenderjahres der Ausschüttung von 15% anzustreben.

Wenn indes Gewinnausschüttungen auf erst im Laufe desselben Jahres in mehreren Teilschritten erworbene oder durch Aufstockung von Streubesitz geschaffene Mindestbeteiligungen anfallen, sollte mit Verweis auf die Rechtsprechung des FG Hessen die 95%ige Körperschaftsteuerfreistellung gemäß § 8b KStG beantragt werden beziehungsweise anderslautende Veranlagungen mit Verweis auf die Revision beim BFH angefochten und damit offengehalten werden. Im Falle eines unterjährigen Erwerbs einer 10%igen Beteiligung in mehreren Tranchen könnte zudem ggf. mit Verweis auf das (ohne Zweifel kritisch diskutierte) Institut des „Gesamtplanes“ ein begünstigter einheitlicher Erwerbsvorgang argumentiert werden. Im Übrigen bleibt die Revisionsentscheidung des BFH abzuwarten.

Die Experten von Warth & Klein Grant Thornton beraten Sie gerne zu steuerlichen Fragen und Gestaltungsoptionen bezüglich Gewinnausschüttungen zwischen Gruppengesellschaften beziehungsweise an Inhaber / Gesellschafter im In- und Ausland.

 

Aktuelle Beratungshinweise - kurz notiert  

  • Sperrfristverstoß nach § 6 Absatz 5 Satz 6 EStG durch Formwechsel einer Oberpersonengesellschaft zu Buchwerten (BFH vom 15. Juli 2021 – IV R 36/18): Nach Auffassung des BFH führt bei einer mehrstöckigen Personengesellschaft der Formwechsel einer Oberpersonengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft zu einem Sperrfristverstoß nach § 6 Absatz 5 Satz 6 EStG, wenn zuvor ein Wirtschaftsgut gemäß § 6 Absatz 5 Satz 3 EStG auf die Unterpersonengesellschaft übertragen wurde. Eine teleologische Reduktion der Regelung komme nicht in Betracht, wenn an der Oberpersonengesellschaft im Zeitpunkt des Formwechsels (auch) natürliche Personen als Mitunternehmer beteiligt waren.
  • Option zur Körperschaftsbesteuerung (§ 1a KStG) (BMF-Schreiben vom 10.11.2021): Nach dem Entwurf vom 30. September 2021 hat das BMF nun am 10.11.2021 das finale Anwendungsschreiben zum Optionsmodell veröffentlicht (Aktenzeichen IV C 2 - S 2707/21/10001 :004). Aus dem BMF-Schreiben ist die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung zu vielen Zweifelsfragen des neuen Rechts ersichtlich. Warth & Klein Grant Thornton hat gemeinsam mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Rechtsanwaltskanzlei CMS in einer umfangreichen Broschüre die steuerlichen und gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen und Folgen der Option zusammengefasst. Die Online-Ausgabe der Broschüre können Sie hier anfordern.
  • Forschungszulagengesetz (BMF-Schreiben vom 11.11.2021): Das BMF hat am 11. November 2021 das bereits seit längerem erwartete Anwendungsschreibens zur Gewährung von Zulagen nach dem Forschungszulagengesetz veröffentlicht (Aktenzeichen IV C 3 - S 2020/20/10029 :007). Das BMF äußert sich in dem ausführlichen Schreiben unter anderem zu materiellrechtlichen Fragen (begünstigte FuE-Vorhaben, förderfähige Aufwendungen), verfahrensrechtlichen Fragen (zur Antragstellung und zum Bescheinigungs-, Festsetzungs-, Feststellungs- und Anrechnungsverfahren), zur ertragsteuerlichen Behandlung der Zulage sowie zu beihilferechtlichen Vorgaben.

 

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