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Update: COVID-19 - Folgen für Grenzpendler mit Wohnsitz in Deutschland

Nicole Krawutschke Nicole Krawutschke

Aufgrund der Ausbreitung des Corona-Virus und der Maßnahmen zur Verhinderung seiner Ausbreitung haben die meisten Länder ihre Grenzen geschlossen. Folglich sind Grenzpendler gezwungen, von ihrem Wohnsitz in ihrem Heimatland aus zu arbeiten und nicht in dem Land, in dem ihre Arbeitgeber ansässig sind. Dies kann steuerliche Implikationen für die Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben.

Die möglichen Auswirkungen veranschaulichen wir im Folgenden anhand einiger Praxisbeispiele aus dem Global Mobility Service Bereich. Wir möchten jedoch betonen, dass die Folgen letztendlich von der konkreten Situation abhängen und daher von Fall zu Fall bestimmt werden müssen.

Steuerliche Folgen für Arbeitnehmer im Home-Office mit Wohnsitz in Deutschland

  • Üblicherweise wird das Gehalt für Arbeitstage im Ausland auch im jeweiligen Land versteuert, wenn der Arbeitgeber dort ansässig ist (Tätigkeitsortsprinzip).
  • Home-Office-Tage von Arbeitnehmern mit deutschem Wohnsitz werden üblicherweise in Deutschland versteuert.
  • Die aktuellen Ausreisebeschränkungen aufgrund der COVID-19-Pandemie haben vor allem Folgen für Grenzpendler, die normalerweise täglich von ihrem Wohnsitzstaat in einen anderen Staat zur Arbeit fahren.
  • Wenn mehr Arbeitstage im Ansässigkeitsstaat, Deutschland, geleistet werden als üblich, führt dies zu einer Erhöhung der Steuerbemessungsgrundlage in Deutschland. Abhängig vom Steuersatz in den jeweiligen Ländern kann dies in Zeiten von Corona zu einer deutlich höheren oder niedrigeren Gesamtsteuerbelastung für Grenzpendler führen.

Bilaterale Sonderregelungen nach den Doppelbesteuerungsabkommen mit Österreich, Frankreich und der Schweiz

  • Abweichend von den oben aufgeführten Tätigkeitsortsprinzip bei Grenzpendlern gibt es Sonderregelungen für Grenzgänger im Falle der Doppelbesteuerungsabkommen mit Österreich, Frankreich und der Schweiz: Sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, hat der Wohnsitzstaat auch das Besteuerungsrecht für die Einkünfte im anderen Staat, in dem der Arbeitgeber sitzt.
  • Aufgrund der erhöhten Anzahl an Home-Office-Tagen, könnte die Höchstgrenze der sogenannten Nichtrückkehrtage überschritten werden, somit greifen folglich die Sonderregelungen nicht mehr. Für einen Grenzgänger mit Wohnsitz in Deutschland könnte dies bedeuten, dass Deutschland das Besteuerungsrecht anteilig verliert und der ausländische Sitzstaat des Arbeitgebers dieses erhält.
  • Zusätzlich zu der möglichen Änderung der steuerlichen Situation für den Arbeitnehmer muss der Arbeitgeber unter Umständen von dem im anderen Staat zu zahlenden Gehalt Lohnsteuer einbehalten und an die zuständige Finanzbehörde abführen.

Wichtige Kriterien für diese bilateralen Sonderregelungen für Grenzgänger sind:

1) Grenzzone

Gemäß den Doppelbesteuerungsabkommen mit Österreich und Frankreich hat die Tätigkeit innerhalb einer bestimmten Grenzzone zu erfolgen:

Österreich: Maximal 30 km Entfernung zwischen Wohnsitz und der Grenze und 30 km Entfernung zwischen Tätigkeitsstätte und der Grenze.

Frankreich: Grundsätzlich maximal 20 km Entfernung Wohnsitz und der Grenze sowie 20km Entfernung zwischen Tätigkeitsstätte und der Grenze.

2) Nichtrückkehrtage

Grundsätzlich hat ein Grenzgänger täglich an den Ort seines Wohnsitzes zurückzukehren. Es gelten folgende Ausnahmen:

Österreich und Frankreich: Wenn die Nichtrückkehrtage nicht mehr als 45 Tage betragen oder der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber außerhalb der Grenzzone tätig ist.

Schweiz: Wenn die Nichtrückkehrtage nicht mehr als 60 Tage betragen.

Deutschland und Österreich haben sich darauf geeinigt, dass Home-Office-Tage als Nichtrückkehrtage gelten.

Beispiel 1: Doppelbesteuerungsabkommen Österreich

Arbeitnehmer G hat seinen Wohnsitz in Deutschland 10 km von der österreichischen Grenze entfernt. Er arbeitet für einen österreichischen Arbeitgeber. Sein Arbeitsort in Österreich ist 5 km von der Grenze entfernt. Arbeitnehmer G kehrt täglich an seinen Wohnort in Deutschland zurück.

Ergebnis: G übt seine Tätigkeit in Österreich aus, er hält sich länger als 183 Tage in Österreich auf und übt seine Tätigkeit für einen in Österreich ansässigen Arbeitgeber aus. G ist jedoch ein Grenzgänger im Sinne der Regelung des Doppelbesteuerungsabkommens Deutschland-Österreich, da sowohl sein Wohnsitz als auch sein Arbeitsort im Umkreis von 30 km der Grenze liegen. Das Gehalt wird daher in dem Ansässigkeitsstaat Deutschland besteuert.

Beispiel 2: Doppelbesteuerungsabkommen Österreich ohne COVID-19 Sonderregelung

Arbeitnehmer G (wie in Beispiel 1) kehrt aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht mehr täglich an seinen Wohnsitz in Deutschland zurück, sondern arbeitet 10 Wochen lang (5 Tage pro Woche) im Home-Office.

Ergebnis: Durch das Überschreiten der 45-Tage-Regelung verliert G seinen Status als Grenzgänger für das gesamte Jahr. Das Gehalt wird also im Tätigkeitsstätte Österreich besteuert, so dass Deutschland nur für die 50 Tage im Home-Office das Besteuerungsrecht behält. Österreich darf somit gemäß dem Doppelbesteuerungsabkommen nunmehr die österreichischen Arbeitstage besteuern.

Sonderregelung im Doppelbesteuerungsabkommen mit Luxemburg

  • Das Doppelbesteuerungsabkommen mit Luxemburg enthält keine Sonderregelung für Grenzgänger.
  • In der Konsultationsvereinbarung zum Doppelbesteuerungsabkommen verständigten sich beide Länder jedoch darauf, dass, wenn der Arbeitnehmer im Ansässigkeitsstaat oder in einem Drittland weniger als 20 Arbeitstage pro Kalenderjahr arbeitet und dieses Gehalt in Luxemburg tatsächlich besteuert wird, Deutschland die gesamte Vergütung steuerfrei stellt.
  • Aufgrund der mehr als 19 Tage dauernden Tätigkeit im Home-Office in Deutschland könnte es sein, dass diese Befreiungsregel nicht mehr angewendet werden kann und Deutschland die Vergütung (teilweise) besteuert.

Welche Sonderregelungen gelten aufgrund der COVID-19-Pandemie?

  • Wie oben beschrieben kann eine erhöhte Anzahl an Home-Office-Tagen schnell zu einer Änderung der Aufteilung von Besteuerungsrechten führen.
  • Änderungen in der Aufteilung der Besteuerungsrechte können negative Auswirkungen auf die steuerliche Situation des Arbeitnehmers haben.
  • Das Bundesfinanzministerium strebt daher bilaterale Sonderreglungen an, um negative Auswirkungen durch eine unbeabsichtigte Änderung des Besteuerungsrechts zu vermeiden. Folgende bilaterale Sonderregelungen existieren bereits:

Österreich, Luxemburg, Niederlande, Belgien, Frankreich, Schweiz: Tätigkeitsortsfiktion

  • Arbeitstage, die aufgrund der COVID-19-Pandemie im Home-Office geleistet werden, werden nicht als Nicht-Rückkehrtage oder Arbeitstage im Ansässigkeitsstaat Deutschland gezählt, sondern als Arbeitstage in dem Land, in dem die Tätigkeit ohne die COVID-19-Maßnahmen erbracht worden wäre.
  • Diese Tätigkeitsortsfiktion gilt also nicht für Arbeitstage, die ohne die COVID-19-Maßnahmen im Ansässigkeitsstaat geleistet worden wären (zum Beispiel vertraglich vereinbarte Heimarbeitstage).
  • Arbeitnehmer sind verpflichtet, entsprechende Aufzeichnungen zu führen.
  • Die Regelung gilt für Arbeitstage in der Zeit vom 11. März 2020 bis zum 30. April 2020.
  • Nach dem 30. April 2020 erfolgte eine automatische Verlängerung vom Ende eines Kalendermonats bis zum Ende des nächsten Kalendermonats.
  • Sobald die aufgrund der COVID-19-Pandemie erklärten Maßnahmen gelockert werden, wird auch diese Sonderregelung aufgehoben.

Beispiel 3: Doppelbesteuerungsabkommen Österreich mit COVID-19 Sonderregelung

Arbeitnehmer G (wie in Beispiel 2) kehrt aufgrund der COVID-19-Pandemie immer noch nicht täglich an seinen Wohnsitz in Deutschland zurück, sondern arbeitet 10 Wochen lang (5 Tage pro Woche) im Home-Office.

Ergebnis: Die Überschreitung der 45-Tage-Regelung hat aufgrund der Sonderregelungen keine Auswirkungen auf den Status als Grenzgänger. Deutschland hat das volle Besteuerungsrecht auf das Gehalt des Arbeitnehmers G.

Update 10. Dezember 2020

Am 8. Dezember 2020 wurde ebenfalls eine Konsultationsvereinbarung mit Polen geschlossen. Somit findet das Konzept des fiktiven Arbeitsortes ebenfalls auf das Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland – Polen Anwendung. Die Vereinbarung kann für Arbeitstage zwischen dem 11. März 2020 und 31. Dezember 2020 angewendet werden. Sofern die Vereinbarung nicht eine Woche vor Beginn des folgenden Kalendermonats gekündigt wird, verlängert sich die Anwendung um einen Monat.

Update 11. Mai 2020

Gemäß der Konsultationsvereinbarung zwischen Belgien und Deutschland vom 6. Mai 2020, gilt die Tätigkeitsortsfiktion auch für Grenzpendler zwischen Deutschland und Belgien. Diese Tätigkeitsortsfiktion gilt vom 11. März 2020 bis 31. Mai 2020 und verlängert sich um einen Monat, wenn die zuständigen Behörden dies mindestens eine Woche vor Beginn des jeweils folgenden Monats schriftlich vereinbaren.

Update 26. Mai 2020

Der Zeitraum für die Anwendung der Konsultationsvereinbarung zwischen Belgien und Deutschland wurde mit schriftlicher Vereinbarung vom 20. Mai 2020 bis zum 30. Juni 2020 verlängert.

Am 13. Mai 2020 wurde ebenfalls eine Konsultationsvereinbarung zwischen Frankreich und Deutschland geschlossen (BMF-Schreiben vom 25. Mai 2020). Wie bereits erwartet, wurde klargestellt, dass im Rahmen der speziellen Grenzgängerregelung des Doppelbesteuerungsabkommens Deutschland- Frankreich die zusätzlichen Home-Office-Tage nichts an der Verteilung der Besteuerungsrechte für die deutsch-französischen Grenzgänger ändern. Jedoch wurde vereinbart, dass die Arbeitstage, an denen der Arbeitnehmer aufgrund staatlicher Gesundheitsverordnung oder –empfehlung nicht arbeitet aber Gehalt erhält, nicht für Zwecke der 45-Tage Regelung angerechnet werden. Für Grenzpendler, die nicht die Voraussetzung der Grenzgängerregelung erfüllen, gilt laut Konsultationsvereinbarung eine Tätigkeitsortsfiktion wie auch schon bei der vorhergehenden Konsultationsvereinbarung zwischen Deutschland und bestimmten Anrainerstaaten. Die Tätigkeitsortsfiktion gilt vom 11. März 2020 bis 31. Mai 2020 und verlängert sich um einen Monat, sofern die Vereinbarung nicht von den zuständigen Behörden gekündigt wird.

Update 19. Juni 2020

Wie erwartet wurde am 11. Juni 2020 ebenfalls eine Konsultationsvereinbarung zwischen der Schweiz und Deutschland geschlossen (BMF-Schreiben vom 12. Juni 2020). Für Grenzgänger und Grenzpendler aus bzw. in die Schweiz greift nunmehr ebenfalls die oben beschriebene Tätigkeitsortsfiktion.

Spezielle Regelungen für Grenzgänger: Es wird auch eine arbeitstägliche Rückkehr an den Wohnsitz bei dieser Tätigkeitsortsfiktion unterstellt. Weiterhin zählen die Tage, an welchen der Grenzgänger aufgrund der Pandemie in seinem Tätigkeitsstaat übernachtet, als Rückkehrtage im Sinne der Grenzgängerregelung, sofern der Arbeitgeber die Übernachtungskosten trägt. Vorsicht ist jedoch geboten, da die 60 Rückkehrtage-Grenze proportional zu kürzen ist und der Arbeitgeber dies bei der Ausstellung der Bescheinigung berücksichtigen muss. Gerne unterstützen wir Sie bei der Erfüllung dieser Dokumentationspflichten.  

Die Vereinbarung findet Anwendung vom 11. März 2020 bis 30. Juni 2020. Sofern die Vereinbarung nicht eine Woche vor Beginn des folgenden Kalendermonats gekündigt wird, verlängert sich die Anwendung um einen Monat.

Übersicht über die Länder, mit denen aufgrund der Covid-19 Pandemie eine Konsultationsvereinbarung geschlossen wurde:

-Österreich
-Luxemburg
-Niederlande
-Belgien
-Frankreich
-Schweiz
-Polen

Übrige Staaten:

Die Tätigkeitsortsfiktion ist derzeit nur in den Fällen Österreich, Luxemburg, Niederlande, Belgien, Frankreich und Schweiz anwendbar. Für alle anderen Doppelbesteuerungsabkommen gelten die allgemeinen Regeln des Doppelbesteuerungsabkommens wie oben ausgeführt.

Home-Office-Tätigkeit birgt auch ein Betriebsstättenrisiko

Auch Tätigkeiten im Home-Office können Risiken mit sich bringen, insbesondere wenn die betroffenen Arbeitnehmer im Home-Office im Namen des Unternehmens Verträge aushandeln und unterzeichnen dürfen. Sie könnten dann als abhängige Vertreter des Unternehmens, für das sie arbeiten, und in ihrem Ansässigkeitsstaat eine Körperschaftsteuerschuld für ihren Arbeitgeber begründen. Des Weiteren kann ein ständiger Vertreter in Deutschland auch eine Lohnsteuerabführungspflicht für den Arbeitgeber bedeuten.

Praxishinweis

Wünschen Sie nähere Informationen zu den einzelnen Punkten oder haben Sie Fragen zum Beispiel zu den Dokumentationspflichten? Wir helfen Ihnen gerne bei der Beurteilung der steuerlichen Auswirkungen auf den Arbeitnehmer sowie Ihr Unternehmen.

 

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