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Aktuelles Urteil

Wann entsteht die Umsatzsteuer bei Ratenzahlung?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat, auf Vorlage des Bundesfinanzhofes, mit seinem Urteil vom 28. Oktober 2021 (C-324/20, Rechtssache X-Beteiligungsgesellschaft) entschieden, dass die Umsatzsteuer bei einer (einmaligen) Vermittlungsleistung mit Ratenzahlungsvereinbarung nicht anteilig in Höhe und im Zeitpunkt der jeweiligen Ratenzahlung entsteht, sondern vollumfänglich bereits mit Erbringung der (Vermittlungs-)Leistung. Im Streitfall erbrachte die Klägerin in 2012 Grundstücks-Vermittlungsleistungen, für die sie ein Honorar in fünf jährlichen Raten in Höhe von jeweils 200.000 Euro erhielt, zuzüglich 38.000 Euro Umsatzsteuer, die sie sukzessiv an das Finanzamt abführte. Dieses verlangte hingegen die gesamte Umsatzsteuer, also 190.000 Euro (zuzüglich entsprechender Verzinsung) schon im Jahr 2012.

Zugleich entschied der EuGH, dass bei solchen Ratenzahlungsvereinbarungen, die die Fälligkeit der Forderung über mehr als zwei Veranlagungszeiträume hinausschieben, eine Minderung der Bemessungsgrundlage wegen Uneinbringlichkeit des Entgelts nicht möglich sei. Anders als die Vorinstanz sahen die europäischen Richter hier nicht die Unzumutbarkeit der Vorfinanzierung der Umsatzsteuer, die der Uneinbringlichkeit faktisch gleichzustellen sei.

Die Entscheidung steht damit im Gegensatz zum Urteil vom 29. November 2018 (C-548/17, Rechtssache Baumgarten), in dem der EuGH für die Vermittlung eines Profi-Fußballspielers an einen Verein durch eine Spielervermittlerin entschied, dass die Umsatzsteuer jeweils anteilig und sukzessiv im Zeitpunkt der Fälligkeit der jeweiligen Ratenzahlung entstehe. Im Unterschied zum aktuellen Urteil standen in der Rechtssache Baumgarten aber zusätzlich die Fälligkeit und das Bestehen der einzelnen Ratenansprüche unter der zivilrechtlichen Bedingung, dass der Arbeitsvertrag zwischen Verein und Spieler noch besteht. Der EuGH erkannte in dieser Bedingung einen Zusammenhang mit der jährlichen Ratenzahlung, die die nur anteilige Umsatzsteuer-Entstehung rechtfertige.

In der Gesamtschau der beiden Urteile folgt daraus: grundsätzlich entsteht die Umsatzsteuer vollumfänglich mit Erbringung der Leistung (Artikel 63 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie). Eine (ausnahmsweise) ratenweise Steuerentstehung tritt nur dann ein, wenn die Leistung aufgrund ihres Wesens, beispielsweise resultierend aus aufschiebenden Bedingungen, als nicht nur einmalig, sondern wiederholt oder kontinuierlich während eines bestimmten Zeitraums als erbracht angesehen werden kann und dadurch gerade ihrer Art nach eine Ratenzahlung rechtfertigt (Artikel 64 Absatz 1 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie). Es wird mithin ein Zusammenhang zwischen der Art der Leistung und ihrer ratenweisen Zahlung vorausgesetzt. Eine bloße Ratenzahlungsvereinbarung einer ansonsten einmalig ausgeführten Leistung soll es nicht ermöglichen, die Umsatzsteuer-Fälligkeit künstlich hinausschieben zu können.

Praxishinweis

Zum Vorsteuerabzug berechtigten Vertragsparteien ist in Bezug auf künftige Ratenzahlungsvereinbarungen bei Nicht-Dauerschuldverhältnissen daher anzuraten, die Umsatzsteuer schon zum Zeitpunkt der Leistungserbringung vollumfänglich zu begleichen und dies zivilrechtlich auch entsprechend zu vereinbaren. Gleichzeitig sollte über die Leistung schon in voller Höhe mit Umsatzsteuer abgerechnet werden, um dem Leistungsempfänger den 100-prozentigen Vorsteuerabzug zu ermöglichen. Die Zahlung des reinen Nettobetrags kann unabhängig hiervon als Ratenzahlung vertraglich vereinbart werden.

 

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