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Digitale Wirtschaftsgüter

Die Sofortabschreibung bleibt in der Diskussion

Martin Kröner Martin Kröner

Seit Beginn des Jahres 2021 (Wirtschaftsjahr = Kalenderjahr) besteht für bestimmte digitale Wirtschaftsgüter (Computerhard- und Software) die Möglichkeit einer steuerlichen Sofortabschreibung. Die Regelung ist auch auf Restbuchwerte entsprechender Wirtschaftsgüter anwendbar, die bereits in Vorjahren angeschafft wurden. Diese steuerpolitische Maßnahme ist gerade vor dem Hintergrund der pandemiebedingten Investitionen (unter anderem Ermöglichung Homeoffice) und dem allgemein in Deutschland noch erforderlichen Digitalisierungsschub sehr zu begrüßen. Insbesondere der Einbezug von ERP-Software, Software für Warenwirtschaftssysteme und sonstiger Anwendungssoftware für Unternehmensverwaltung und Prozesssteuerung ist für Unternehmen bedeutsam, da hier in der Regel erhebliche Investitionen erforderlich sind. Die Freude über die steuerliche Begünstigung wird in der Praxis jedoch durch zahlreiche Anwendungs- und Rechtsfragen getrübt. Diese resultieren zum einen aus der übereilten Einführung der „Sofortabschreibung“ nur im Wege einer Verwaltungsanweisung (BMF-Schreiben vom 26.2.2021, am 22.02.2022 geringfügig ergänzt) und zum anderen aus der wenig überzeugenden technischen Umsetzung durch die „Festlegung“ der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer für die digitalen Wirtschaftsgüter auf ein Jahr.

Zunächst stellt sich die Frage, ob es sich bei der „Sofortabschreibung“ um ein steuerliches Wahlrecht handelt und ob dieses ggf. für alle digitalen Wirtschaftsgüter nur einheitlich ausgeübt werden kann. Die Finanzverwaltung will mangels gesetzlicher Grundlage kein Wahlrecht annehmen, weil sie zu dessen Gewährung im Erlasswege nicht befugt wäre. Dem Vernehmen nach soll es sich mehr um ein „Angebot“ handeln, im Wege einer tatsächlichen Verständigung die betriebliche Nutzungsdauer auf (nur) ein Jahr zu schätzen (Nutzungsdauer von beispielsweise Notebooks bisher grundsätzlich drei Jahre, ERP-Software bisher grundsätzlich 5 Jahre). Der Steuerpflichtige könne aber – wie sonst auch, abweichend von den amtlichen AfA-Tabellen – eine längere Nutzugsdauer annehmen. Letzteres wirke dann wie ein „faktisches Wahlrecht.“

Wir sehen diese Sichtweise kritisch: Das BMF-Schreiben bietet keine stichhaltige Begründung dafür, dass die einjährige Nutzungsdauer der betrieblichen Realität entspricht. Nach Auffassung des Instituts der Wirtschaftsprüfer kann diese in der Handelsbilanz folglich regelmäßig nicht zugrunde gelegt werden, muss der Jahresabschluss doch ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens- und Ertragslage vermitteln. Aus unserer Sicht kann es aber für dasselbe Wirtschaftsgut nicht zwei wesentlich voneinander abweichende, sachgerechte Schätzungen der betrieblichen Nutzungsdauer geben. Daneben wäre die Bindungswirkung einer im BMF-Schreiben angelegten „Verständigung“ auf eine geschätzte Nutzungsdauer von nur einem Jahr fraglich, weil nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes tatsächliche Verständigungen unwirksam sind, wenn diese zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen.

Aus unserer Sicht handelt es sich bei der Sofortabschreibung um eine politisch initiierte, konjunkturstützende Billigkeitsregelung der Finanzverwaltung. Da die Finanzgerichte nicht an die Verwaltungsregelung gebunden sind und die darin erfolgte Festlegung der Nutzungsdauer für viele digitale Wirtschaftsgüter auf ein Jahr offensichtlich nicht der Realität entspricht, besteht eine erhebliche Rechtsunsicherheit, die durch eine gesetzliche Verankerung der Sofortabschreibung beseitigt werden sollte.

Infolge der unglücklichen technischen Umsetzung wurde des Weiteren darüber diskutiert, ob bei Anwendung der Sofortabschreibung überhaupt Anlagevermögen vorliegt und die Sofortabschreibung zu Abschreibungsaufwand führt. Ersteres ist insbesondere für die Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbeträgen und Sonderabschreibungen gemäß § 7g EStG von Bedeutung. Die Qualifikation als Abschreibungsaufwand ist auch im Rahmen der Zinsschranke wichtig, da der Aufwand aus der Sofortabschreibung ansonsten das steuerliche EBITDA und damit grundsätzlich auch den steuerlich abzugsfähigen Zinsaufwand des Veranlagungszeitraums reduzierte. Es ist daher erfreulich, dass die Finanzverwaltung laut dem geänderten BMF-Schreiben sowohl von Anlagevermögen (Verpflichtung zur Aufnahme ins Bestandsverzeichnis) als auch von Abschreibungsaufwand gemäß § 7 EStG ausgeht (weder Sofortabschreibung noch neue oder besondere Form der Abschreibung). Gleichwohl kann die „Sofortabschreibung“ bereits im Jahr der Anschaffung/Herstellung in voller Höhe vorgenommen werden. Darüber hinaus hat das BMF klargestellt, dass die „Sofortabschreibung“ auch im Bereich der Überschusseinkünfte anwendbar ist.

In der Handelsbilanz ist wie vorstehend ausgeführt keine Sofortabschreibung möglich. Wird diese in einer (abweichenden) Steuerbilanz genutzt, ist in der Handelsbilanz die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung für passive latente Steuern zu prüfen, wodurch die Inanspruchnahme der Sofortabschreibung in der Praxis verkompliziert und das handelsbilanzielle Eigenkapital belastet wird.

Schließlich stellt sich die Frage, ob sich in Leasingfällen Auswirkungen auf die Zurechnung des Leasinggegenstandes ergeben, da die vertragliche Grundmietzeit regelmäßig die im BMF-Schreiben festgeschriebene Nutzungsdauer von einem Jahr überschreiten wird. Unseres Erachtens sollte dies nicht der Fall sein, weil die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer für die Zurechnung des Leasinggegenstandes individuell zu schätzen ist und insoweit nicht auf amtliche AfA-Tabellen beziehungsweise auf die verkürzte Nutzungsdauer laut dem oben genannten BMF-Schreiben abzustellen sein sollte. Eine Klarstellung wäre auch hier wünschenswert, weil eine abweichende Rechtsauffassung nicht auszuschließen ist.

Praxishinweis

Die Ampelkoalition hat im Koalitionsvertrag der deutschen Wirtschaft „Superabschreibungen“ für in den Jahren 2022 und 2023 vorzunehmende Investitionen in „Klimaschutz und Digitalisierung“ in Aussicht gestellt. Insoweit steht eine Gesetzesinitiative allerdings noch aus, sodass Anwendungsvoraussetzungen und Förderwirkung noch völlig unklar sind. In diesem Zuge sollte auch die „Sofortabschreibung“ für digitale Wirtschaftsgüter die erforderliche gesetzliche Verankerung erfahren, welche die bestehenden Rechtsunsicherheiten und Anwendungsfragen beseitigt. Wir werden Sie auf dem Laufenden halten.

 

 

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