Mit seinem Urteil vom 17. April 2023 hat das Finanzgericht München zur Zulässigkeit der Inanspruchnahme der erweiterten Grundbesitzkürzung bei Vorliegen einer sogenannten umgekehrten Betriebsaufspaltung Stellung genommen.
INHALTE

Hintergrund

Die erweiterte Grundbesitzkürzung nach § 9 Nummer 1 Sätze 2 ff. GewStG ist in der Praxis von großer Bedeutung für Immobilienunternehmen, die nur der Rechtsform nach gewerblich tätig sind. Dies gilt auch für separate Immobilieneinheiten in einer im Übrigen gewerblich tätigen Unternehmensgruppe. Die erweiterte Grundbesitzkürzung bietet Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten und nutzen, eine vollständige Freistellung von der Gewerbesteuer. Begünstigte Unternehmen unterliegen in diesen Fällen regelmäßig nur der Körperschaftsteuerbelastung von 15 Prozent (zuzüglich Solidaritätszuschlag).

Die Inanspruchnahme der erweiterten Grundbesitzkürzung ist an strenge Voraussetzungen geknüpft. Sie ist unter anderem zu versagen, wenn die grundbesitzende Gesellschaft nicht ausschließlich vermögensverwaltend, sondern originär gewerblich tätig ist. Sie ist auch nicht zulässig, wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters dient (§ 9 Nummer 1 Satz 5 Nummer 1 GewStG). Eine schädliche originär gewerbliche Tätigkeit liegt stets vor, wenn die grundbesitzende Gesellschaft als Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung anzusehen ist. Dies ist in Unternehmensgruppen ein ganz wesentlicher Aspekt, da in diesen Fällen regelmäßig eine personelle Verflechtung zwischen den einzelnen Einheiten durch Gesellschafteridentität vorliegt. Soll also die erweiterte Grundstückskürzung erreicht werden, so muss zwingend die Struktur so gewählt werden, dass eine Betriebsaufspaltung im steuerlichen Sinne nicht vorliegt. Dies bedarf einer eingehenden Prüfung und ist im Übrigen auch vielfach Streitpunkt mit der Finanzverwaltung. Umso wichtiger ist der Hinweis auf ein aktuelles Urteil des Finanzgerichts (FG) München, das für eine bestimmte Konstellation bestätigt hat, dass eine Betriebsaufspaltung im steuerlichen Sinne gerade nicht vorliegt und daher die erweiterte Grundstückskürzung zu gewähren ist.

Urteil des FG München

Das FG München hatte im Hinblick auf die Inanspruchnahme der erweiterten Grundbesitzkürzung den Fall einer sogenannten umgekehrten Betriebsaufspaltung zu beurteilen (Urteil vom 17. April 2023, Aktenzeichen 7 K 434/19). Dem lag vereinfacht folgender Sachverhalt zugrunde.

Eine GmbH & Co. KG war zu 100 Prozent an einer Beteiligungs-GmbH beteiligt. Diese hielt wiederum 52,38 Prozent der Anteile an der grundstücksverwaltenden Immobilien-GmbH. Die verbleibenden 47,62 Prozent hielt eine nicht an der GmbH & Co. KG beteiligte natürliche Person. Die Immobilien-GmbH vermietete ihr Grundstück (zunächst unmittelbar und später mittelbar) an die GmbH & Co. KG. In dieser Konstellation erfolgte die Überlassung des Grundbesitzes mithin nicht von dem Gesellschafter an die Tochtergesellschaft, sondern von der Tochtergesellschaft an den Gesellschafter (sogenannte umgekehrte Betriebsaufspaltung).

Die Finanzverwaltung versagte der Immobilien GmbH die erweiterte Grundbesitzkürzung, weil sie aufgrund der mittelbaren beherrschenden Stellung der GmbH & Co. KG auch in dieser Konstellation von einer personellen Verflechtung und damit von einer schädlichen Betriebsaufspaltung ausging.

Das FG gewährte der Klägerin hingegen die erweiterte Grundbesitzkürzung. Zunächst verneinte es das Vorliegen einer Betriebsaufspaltung wegen der fehlenden personellen Verflechtung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) reiche es für eine personelle Verflechtung nur dann aus, wenn der Gesellschafter, hier die GmbH & Co. KG, mittelbar an der Betriebsgesellschaft beteiligt ist, nicht aber bei einer mittelbaren Beteiligung an der Besitzkapitalgesellschaft.

Weiterhin verneinte das FG, dass der Grundbesitz dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters (der GmbH & Co.) dient, was der Kürzung ebenfalls entgegengestanden hätte. Gesellschafter im Sinne des § 9 Nummer 1 Satz 5 Nummer 1 GewStG ist danach neben dem unmittelbaren Beteiligten auch derjenige, der nur mittelbar über eine Personengesellschaft an dem Grundstücksunternehmen beteiligt ist. Diese Voraussetzung lag in dem entschiedenen Fall nicht vor.

Etwas anderes hätte sich allerdings ergeben, wenn einer der beiden Gesellschafter der Immobilien-GmbH gleichzeitig Kommanditist der GmbH & Co. gewesen wäre.

Praxishinweis

Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt. Die Entscheidung des BFH bleibt abzuwarten. Dies auch vor dem Hintergrund, dass der BFH seine Rechtsprechung in der jüngeren Vergangenheit geändert hat und nunmehr erstmals in bestimmten Konstellationen die Abschirmwirkung einer Besitzkapitalgesellschaft (Urteil vom 16. September 2021, Aktenzeichen IV R 7/18) verneint. Zu Einzelheiten verweisen wir auf unseren Beitrag aus dem März 2022. Vorbehaltlich der abschließenden Beurteilung dieser Konstellation durch den BFH bleibt festzuhalten, dass in Unternehmensgruppen die umgekehrte Betriebsaufspaltung neben der Struktur von Schwesterkapitalgesellschaften einsetzbare Strukturen sind, um die erweiterte Grundstückskürzung zu erreichen.

Aktuelle Beratungshinweise – kurz notiert

Keine erweiterte Grundbesitzkürzung bei auch nur geringfügiger gewerblicher Nebentätigkeit: Mit Urteil vom 15. Juni 2023 (Aktenzeichen IV R 60/20) hat der BFH entschieden, dass die auf einem Weihnachtsmarkt ausgeübte und allen Tatbestandsmerkmalen einer gewerblichen Tätigkeit entsprechende Nebentätigkeit die erweiterte Grundbesitzkürzung auch dann ausschließt, wenn sie nur geringfügig ist. In dem Urteilsfall hatte eine grundstücksverwaltende GmbH & Co. an einem Adventswochenende für drei bis vier Tage vier Stände auf einem Weihnachtsmarkt betrieben.

Zum Begriff der Betriebsvorrichtung im Zusammenhang mit der erweiterten Grundbesitzkürzung: Mit Urteil vom 26. Juni 2023 (Aktenzeichen 10 K 2800/20 G) entschied das FG Düsseldorf, dass keine für die erweiterte Grundbesitzkürzung schädliche Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen vorliegt, wenn eine zur späteren Vermietung an einen Kfz-Sachverständigen errichtete Halle unter anderem  mit einer tiefen Grube zur Besichtigung von Fahrzeugen von unten sowie mit einer Vorrichtung für den von der Mieterin vorzunehmenden Einbau von Hebebühnen (flache Grube) ausgestattet wird. Nach der Ansicht des FG handelt es sich bei diesen Vorrichtungen noch um Gestaltungs- und Funktionsmerkmale eines Gebäudes.

Begriff der Zinsaufwendungen im Rahmen der Zinsschranke: Mit Beschluss vom 22. März 2023 (Aktenzeichen XI R 45/19) hat sich der BFH zum Begriff der Zinsaufwendungen im Sinne der Zinsschranke nach § 4h EStG geäußert. Ein Entgelt, mit dem nicht die Möglichkeit zur Nutzung von Fremdkapital, sondern eine andere Leistung des Kreditgebers vergütet wird, ist nach Ansicht des BFH keine Zinsaufwendung im Sinne des § 4h Absatz 3 Satz 2 EStG. Eine sogenannte "Arrangement Fee", mit der gesonderte, über die Kapitalüberlassung hinausgehende Leistungen einer Konsortialführerin vergütet werden und die sich nach der vertraglich vereinbarten (und nicht nach der tatsächlich in Anspruch genommenen) Darlehenssumme bemisst, unterfällt hiernach nicht der Abzugsbeschränkung des § 4h EStG.

Aussetzung der Vollziehung von Bescheiden, die auf § 8c Absatz 1 Satz 1 KStG (Beteiligungserwerbe > 50%) gestützt sind: Das Bundesverfassungsgericht hat in einem seit längerem anhängigen Verfahren (Aktenzeichen 2 BvL 19/17) die Frage zu klären, ob (der heutige) § 8c Absatz 1 Satz 1 KStG mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes vereinbar ist, weil bei einer unmittelbaren Anteilsübertragung von > 50% innerhalb von 5 Jahren die nicht genutzten Verluste vollständig unberücksichtigt bleiben. Mit Beschluss vom 12. April 2023 (Aktenzeichen I B 74/22) hat der BFH nunmehr entschieden, dass hinsichtlich der Bescheide, die auf § 8c Absatz 1 Satz 1 KStG gestützt sind, eine Aussetzung der Vollziehung zu gewähren ist, da ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Norm bestehen.

Ermittlung des Veräußerungsgewinns bei teilentgeltlicher Übertragung von Wirtschaftsgütern: In dem Urteil vom 14. Juni 2023 (Aktenzeichen 2 K 1826/20) hatte das FG Rheinland-Pfalz bezüglich der teilentgeltlichen Übertragung eines Wirtschaftsgutes aus dem Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters in das Gesamthandsvermögen einer anderen Mitunternehmerschaft, an der er beteiligt ist, zu entscheiden. In dem entschiedenen Fall hatte ein Gesellschafter ein zum Sonderbetriebsvermögen gehörendes Grundstück unter dem Verkehrswert veräußert. Nach der Auffassung des FG ist der Vorgang unter teilweiser Aufdeckung von stillen Reserven in ein voll unentgeltliches und ein voll entgeltliches Geschäft aufzuteilen (strenge Trennungstheorie). Das Gericht hat die Revision zugelassen, da in der Rechtsprechung des BFH weiterhin ungeklärt ist, ob bei teilentgeltlichen Übertragungen von Wirtschaftsgütern bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns die strenge oder die modifizierte Trennungstheorie anzuwenden ist.

Heilung eines „fehlerhaften“ Gewinnabführungsvertrags: Mit Urteil vom 3. Mai 2023 (Aktenzeichen I R 7/20) hat der BFH entschieden, dass der Eintritt der Heilungswirkung nach den einschlägigen Übergangsregelungen zum gesetzlichen Erfordernis des dynamischen Verweises auf § 302 AktG (§ 17 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 KStG n.F.) vom Verhalten des Steuerpflichtigen abhängt. Hiernach tritt bei Beendigung der steuerlichen Organschaft vor dem 1. Januar 2015 die Heilungswirkung gemäß § 34 Absatz 10b Satz 3 KStG n.F. nicht ein, wenn der Steuerpflichtige durch eine nach außen erkennbare Handlung den Willen äußert, eine Heilung des "fehlerhaften" Gewinnabführungsvertrages nicht herbeiführen, sondern die Rechtsfolgen des "fehlerhaften" Gewinnabführungsvertrages tragen zu wollen. Im Streitfall war die steuerliche Organschaft letztlich nicht mehr sinnvoll, sodass der Steuerpflichtige deren Wirkung nicht eintreten lassen wollte.

Entwurf eines BMF-Schreibens zum Betriebsausgabenabzugsverbot bei Besteuerungsinkongruenzen (§ 4k EStG): Mit Schreiben vom 13. Juli 2023 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) den Entwurf eines BMF-Schreibens zum Betriebsausgabenabzugsverbot bei Besteuerungsinkongruenzen (§ 4k EStG) an bestimmte Verbände versandt. Ihnen wurde bis zum 10. August 2023 Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Entwurf gegeben. Ziel des § 4k EStG ist die Neutralisierung von Besteuerungsinkongruenzen in Form hybrider Gestaltungen, die durch den doppelten Abzug von Aufwendungen oder den Abzug von Aufwendungen bei gleichzeitiger Nichtbesteuerung von Erträgen aufgrund hybrider Elemente entstehen.