Der Bundesfinanzhof (BFH) hat zum Tatbestandsmerkmal der „bestimmten Zeit der passiven Rechnungsabgrenzung“ Stellung genommen. Hier finden Sie die wichtigsten Informationen zum Urteil.
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Erhaltene Einnahmen vor dem Bilanzstichtag für Leistungen, die nach dem Bilanzstichtag zu erbringen sind, bedürfen je nach Vertragsgestaltung zum Bilanzstichtag einer unterschiedlichen Bilanzierung. Sie können zum einen sofort voll erfolgswirksamen Ertrag darstellen, eine erfolgsneutrale erhaltene Anzahlung oder eine passive Rechnungsabgrenzung, also nur ratierlich Ertrag darstellen. Zudem gilt es zu prüfen, ob ggf. partiell eine Rückstellung für Erfüllungsrückstand zu passivieren ist (Ertrag bei Rückstellungsauflösung/-inanspruchnahme). Der BFH befasste sich im Wesentlichen mit der Abgrenzung der oben genannten Passiva vor dem Hintergrund, dass der Leistungszeitraum bei erhaltenen Zahlungen nicht ausreichend bestimmt wurde.

Passive Rechnungsabgrenzung

Einnahmen vor dem Bilanzstichtag sind dann als passive Rechnungsabgrenzung auszuweisen, wenn die Einnahmen einen Ertrag für eine bestimmte Zeit nach dem Bilanzstichtag darstellen. Hieraus folgt, dass die Einnahmen einem konkreten Zeitraum nach dem Bilanzstichtag zugeordnet werden müssen. Dies erfordert dem Grunde nach eine Verteilung der Leistung über einen kalendermäßig festgelegten oder berechenbaren Zeitraum.

Diese Vorschriften sollen gemäß dem Realisationsprinzip gewährleisten, dass Erträge den Perioden zugeordnet werden, in welchen ihnen auch die Gegenleistung gegenübersteht.

Im Urteilsfall war Streitgegenstand die erfolgswirksame Vereinnahmung beziehungsweise Wirtschaftsjahrübergreifende zeitliche Abgrenzung von vereinnahmten Projektentwicklungshonoraren in der Immobilienbranche. Der vorgenommenen Rechnungsabgrenzung lag eine Aufteilung der von der Klägerin zu erbringenden Leistungen in fünf Phasen zugrunde. In diesen fünf Phasen war ein in einem Prozentsatz darzustellender Anteil der Gesamtleistung zu erbringen. In einer Leistungsermittlung bestimmte die Klägerin für jedes Projekt, für das sie in dem Streitjahr Regieerlöse erzielte und für das sie einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten bildete, den Beginn, die Laufzeit und das Ende jeder Phase. Auf dieser Basis verteilte die Klägerin die Projekterlöse auf die jeweilige Phase ihres Berechnungsschemas. Eine vertragliche Fixierung von Leistungsphasen, welche der Steuerpflichtige seiner Schätzung zu Grunde legte, war dagegen nicht gegeben. Lediglich der Beginn des Zeitraums stand fest, nicht jedoch ein konkret bestimmtes Ende des Leistungszeitraumes.

Der BFH sah die Tatbestandsvoraussetzung gemäß § 5 Abs. 5 EStG der „bestimmten Zeit“ als nicht erfüllt an. Begründung war, dass der Zeitraum, in welcher die Gegenleistung zu erbringen ist, periodisch aufteilbar sein muss. Dieser Zeitraum muss objektiv feststehen oder zumindest objektivierbar sein. Es kann nur ein kalendermäßiger festgelegter oder berechenbarer Zeitraum als Maßstab anerkannt werden, bei welchem weder Zweifel über den Beginn noch das Ende des Zeitraumes bestehen. Individuelle Schätzungen sind nicht ausreichend, um entsprechende Einnahmen passivisch abgrenzen zu können. Insbesondere darf der Leistungszeitraum nicht von einer Gestaltungsentscheidung des Bilanzierenden abhängen.

Erfassung als erhaltene Anzahlung

Grundsätzlich ist der Zweck einer passiven Rechnungsabgrenzung und einer Passivierung einer erhaltenen Anzahlung vergleichbar. Jedoch stellt die Erfassung als erhaltene Anzahlung auf eine zeitpunktbezogene Leistung ab, wogegen bei einer passiven Rechnungsabgrenzung eine zeitraumbezogene Leistung vorliegt. Bei Dauersachverhalten ist die Passivierung von Rechnungsabgrenzungsposten, bei Einmalsachverhalten dagegen von Anzahlungen zu prüfen. Im Urteilsfall war die Passivierung einer erhaltenen Anzahlung auszuschließen, da es sich um eine zeitraumbezogene Leistung handelte.

Erfassung als Rückstellung für Erfüllungsrückstand

Im Rahmen der Abgrenzung der angesprochenen Bilanzierungselemente folgt aus dem Urteil, dass ein Erfüllungsrückstand nachrangig zu einer passiven Rechnungsabgrenzung zu betrachten ist. Sofern, wie im Urteilsfall, die passive Rechnungsabgrenzung ausscheidet, kann eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten passiviert werden. Das gilt dann, wenn ein Erfüllungsrückstand durch Vorleistungen des Vertragspartners gegeben ist.

Praxishinweis

Der BFH hat in seinem oben genannten Urteil die unterschiedlichen Passiva-Positionen klar gegeneinander abgegrenzt. Um einen Ertrag bei zeitraumbezogenen Leistungen nicht vollständig sofort, sondern verteilt über den Leistungszeitraum (über eine passive Rechnungsabgrenzung) zu realisieren, sollte der Leistungszeitraum (Beginn und Ende) so exakt wie möglich vertraglich bestimmt werden. Die Leistungsbestandteile sollten in das Vertragswerk aufgenommen werden. Andernfalls könnte eine Vollrealisierung der erhaltenen Zahlungen des Vertragspartners nur über eine Rückstellung für Erfüllungsrückstand - partiell und zumeist nur auf Schätzbasis - vermieden werden, sofern die entsprechenden Voraussetzungen hierfür vorliegen.

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Aktuelle Beratungshinweise - kurz notiert

Kein Verlustuntergang trotz Anteilsübertragung von mehr als 50 Prozent, sofern nach Anteilsübertragung kein Change of Control vorliegt (FG Münster vom 23.08.2023, 9 K 2166/21 K,G,F): Sofern innerhalb von fünf Jahren mehr als 50 Prozent der Anteile an einer Körperschaft auf einen Erwerber oder Gruppe von Erwerbern übertragen werden, gehen bestehende Verlustvorträge sowie laufende Verluste grundsätzlich unter. Hierzu ist beim BVerfG unter dem Az. 2 BvL 19/17 seit 2017 bereits ein Verfahren zur Verfassungskonformität anhängig. Nach dem Beschluss des BFH v. 12.4.2023 (Aktenzeichen I B 74/22) ist die Aussetzung der Vollziehung von auf § 8c Abs. 1 S. 1 KStG gestützten Bescheiden grundsätzlich geboten. 
Dem ungeachtet hat das FG Münster in seinem Urteil vom 23.08.2023 nun entschieden, dass ein Verlustuntergang bei einer Anteilsübertragung von mehr als 50 Prozent nicht zum Tragen kommt, sofern diese nicht mit einem Change of Control einhergeht.

Entwurf eines aktualisierten Umwandlungssteuererlasses: Mit Datum vom 11.10.2023 hat das BMF seinen Entwurf eines aktualisierten BMF-Schreibens zur Anwendung des Umwandlungssteuergesetzes (Umwandlungssteuererlass) veröffentlich (Az. IV C 2 – S 1978/19/10001:013). Der Entwurf soll den bestehenden Erlass vom 11.11.2011 ablösen und berücksichtigt die seit der Veröffentlichung erfolgten Gesetzesänderungen sowie höchstrichterliche Rechtsprechung. Mit dieser Veröffentlichung hat das BMF die Verbände zur Stellungnahme aufgefordert.

Wachstumschancengesetz: Aktueller Stand der Gesetzgebung: Der Bundestag hat mit Datum vom 13.10.2023 in der ersten Lesung über den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (sog. Wachstumschancengesetz; BT-Drucks. 20/8628) beraten. Die Beratung erfolgt nun im Finanzausschuss des Bundestages, welcher für den 6.11.2023 zwei öffentliche Anhörungen angesetzt hat. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf etliche Änderungsvorschläge unterbreitet. Damit ist im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens noch mit Änderungen zu rechnen. Die zweite und dritte Lesung im Bundestag ist für den 17.11.2023 sowie die Verabschiedung im Bundesrat für den 15.12.2023 geplant.