Senior Manager Dr. Stefan Hannen hat mit dem Magazin „Mobilität“, das als Beilage der Tageszeitung „Die Welt“ erscheint, über neue Geschäftsmodelle und aufkommende Reporting- und Kommunikationsverpflichtungen in der Automobilbranche gesprochen.
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Herr Dr. Hannen, der Weg zu einer emissionsfreien Mobilität bedeutet in vielen Bereichen ein Umdenken – auch was neue Partnerschaften und Lieferketten angeht. Wo liegen die Herausforderungen? 

Ob intrinsisch motiviert, von externen Anforderungen getrieben oder einfach nur mit Blick auf die eigene Reputation: Heute haben die meisten Anbieter „klimafreundliche“ Modelle im Portfolio. Aber emissionsarme Mobilität nur an der Art der Antriebstechnologie und an der Nutzungsphase festzumachen, greift zu kurz. Ebenso bedeutend ist der Blick auf den Abbau und die Verarbeitung natürlicher Ressourcen, etwa Rohstoffen für E-Auto-Batterien. Um hier einzusparen, sind Ansätze der Circular Economy wichtig. Ein Schlüssel liegt sicherlich im Recycling von Batterien. Aber auch alternative Geschäftsmodelle sind hier zu nennen, etwa aus der Sharing Economy. Das ist oft nicht allein zu stemmen, sondern braucht neue Arten von Zusammenarbeit und Partnerschaften, ebenso wie die Bereitschaft zum Wandel. Neben Klimaverbesserungen kann das auch dabei helfen, ökonomische Abhängigkeiten von knapper werdenden Rohstoffen abzumildern. 

Auch bei Sozialthemen gibt es Handlungsbedarf – gerade auch mit Fokus auf Zulieferbetriebe. Was kommt hier auf die Unternehmen zu? 

Ein zentraler Treiber in dieser Hinsicht ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das in Deutschland ansässige Unternehmen mit mehr als 3.000 und ab dem kommenden Jahr mehr als 1.000 Mitarbeitern zur Entwicklung eines Risikomanagements mit Blick auf die Einhaltung von Menschenrechten (und Umweltthemen) in ihrer Lieferkette verpflichtet, inklusive der Einrichtung von Präventions- und Abhilfemaßnahmen sowie einer Berichterstattung an das BAFA. Die betroffenen Unternehmen wiederum werden diese Verpflichtung nur mithilfe ihrer Zulieferer erfüllen können. Sie werden die Anforderungen – zumindest in Teilen – durch Vertragsgestaltung oder Audits somit auch an kleinere Unternehmen ihrer Supply Chain weitergeben. In den sehr komplexen Lieferketten der Automobilbranche kann das für einigen Aufwand an vielen Stellen sorgen – erst recht, wenn die Verflechtungen wie beschrieben durch neue Partnerschaften noch wachsen. 

Nicht nur das BAFA verlangt künftig mehr Transparenz von den Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit. Führt an regelmäßigen Checks und Reportings künftig kein Weg mehr vorbei?

Das stimmt. Auch durch die EU-seitige Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die ab dem Geschäftsjahr 2024 nach und nach greift, und die EU-Taxonomie weiten sich die Berichterstattungspflichten deutlich aus. Zum einen auf eine große Zahl an Unternehmen, die bisher keinen solchen Pflichten unterlag, zum anderen aber auch in der Breite und Tiefe der zu berichtenden Informationen für die Unternehmen, die bereits jetzt über Nachhaltigkeit berichten müssen. Gemäß EU soll das Ganze perspektivisch den gleichen Stellenwert und die gleiche Qualität haben wie die seit Langem etablierte Finanzberichterstattung – inklusive Pflicht zur externen Prüfung. Und auch Banken, Versicherungen und weitere Stakeholder wie die erwähnten Geschäftspartner in der Wertkette werden immer stärker auch Nachhaltigkeitsinformationen einfordern und Finanzierungskonditionen oder die Zusammenarbeit daran knüpfen. Allein schon, um ihrerseits regulatorische Anforderungen und Stakeholdererwartungen erfüllen zu können. Daher führt für sehr viele Unternehmen tatsächlich kein Weg an einem regelmäßigen Reporting vorbei.

Das ist eine ganze Menge an neuen Anforderungen. Wie lässt sich das in kapitalmarktorientierten oder mittelständischen Unternehmen längerfristig umsetzen?

Ohne Frage sind das erhebliche Herausforderungen – gerade für kleinere Unternehmen, in denen bisher häufig ein systematischer Ansatz zum Management dieser Themen fehlt. Hier braucht es sicherlich mehr Kapazitäten, aber vor allem fundierte Strukturen und Prozesse. Die sollten sich bestmöglich in die bestehenden integrieren. Denn Nachhaltigkeitshemen führen ja kein Inseldasein. Es geht nicht darum, die zahlreichen Anforderungen zum Selbstzweck zu erfüllen. Und auch nicht darum, rein auf Auswirkungen der eigenen Tätigkeit auf Umwelt und Gesellschaft zu schauen. Vielmehr sollte das Ziel sein, die Themen auch als Risiken oder sogar Chancen für das eigene Geschäftsmodell zu erkennen und entsprechend zu managen. Die Berichterstattung ist dann nur ein Nebenprodukt. Am Ende dient sie auch dazu, den wichtigen Stakeholdern – Banken, Versicherungen, auch den Kunden wie den OEMs – die Resilienz des eigenen Geschäftsmodells aufzuzeigen.


Das Interview wurde in der Publikation Opinomic 7/2023 veröffentlicht. Das gesamte Heft finden Sie hier: https://issuu.com/opinomic/docs/opi_mob_welt/10
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