International aufgestellte Unternehmensgruppen haben aus Verrechnungspreissicht im Hinblick auf gestiegene Zinsen und Preise akuten Handlungsbedarf, um die fremdübliche Bepreisung von Waren und Dienstleistungen auch in diesem Jahr sicherzustellen.

Die Steuerabteilungen multinationaler Unternehmensgruppen waren in den vergangenen Monaten aufgrund vielfältiger, zum Teil disruptiver Einflüsse auf die Wertschöpfungsketten, wie der COVID-19 Pandemie, der Suez-Kanal Blockade, Hafensperrungen oder Sanktionen im Zuge des Ukrainekrieges nicht selten über die Grenzen belastet. Das „House Keeping“ wurde daher bisweilen - bewusst oder unbewusst - vernachlässigt. Aus Verrechnungspreissicht besteht jedoch mit Blick auf gestiegene Zinsen und Inflation akuter Handlungsbedarf, um die fremdübliche Bepreisung von Waren und Dienstleistungen auch im Jahr 2023 sicherzustellen.

Reflektion gestiegener Zinsen in Finanzierungstransaktionen

In der Unternehmenspraxis sind konzerninterne Darlehen häufig Gegenstand mündlicher Absprachen oder pragmatisch kurzgehaltener Verträge. Dabei sind in der Regel feste Zinssätze und jährliche Kündigungsmöglichkeiten für beide Seiten vereinbart. Durch die gestiegenen Zinsen kann es zu einer Situation kommen, in der der Darlehensgeber die Vereinbarung kündigen oder neu verhandeln würde, da er aus heutiger Sicht bessere Konditionen erzielen könnte. Insbesondere deutsche Konzerne, aber auch Tochterunternehmen ausländischer Konzerne, die Darlehen an verbundene Gruppengesellschaften ausreichen, sollten ihre Verträge hierauf überprüfen und ggf. anpassen. Ein Aufgriff in der kommenden Betriebsprüfung ist höchstwahrscheinlich.

Analyse von Inflationsauswirkungen auf das Verrechnungspreissystem

Konzerne sind höchst unterschiedlich von der aktuellen Inflation betroffen. Während einige Konzerne Preiserhöhungen auf der Eingangsseite kurzfristig und weitgehend „eins-zu-eins“ an ihre Kunden weiterreichen können und somit weder profitieren noch verlieren, sind andere klare Gewinner oder auch Verlierer der Inflation. Aber selbst, wenn das Konzernergebnis durch die Inflation nur wenig beeinflusst sein sollte, können die Auswirkungen auf Ebene einzelner Gesellschaften unter dem bestehenden Verrechnungspreissystem massiv sein.
Als Beispiel soll hier das wohl klassischste Verrechnungspreissystem dienen, bei dem eine zentrale Einheit (der Strategieträger oder Entrepreneur)

a)    einen Teil der Produktion ins Ausland verlagert hat und der Verrechnungspreis für die produzierten Waren auf Basis der Kostenaufschlagsmethode - im Regelfall Vollkosten plus Gewinnaufschlag - bestimmt wird (Kostenaufschlagssystem) und
b)    einen oder mehrere im Ausland als Buy-Sell-Distributor agierende Vertriebseinheiten letztlich durch Anpassungen der Warenpreise auf eine Nettozielmarge aussteuert.

Steigen in diesem System die Kosten, erhält die Produktionseinheit zwar weiterhin den gleichen prozentualen Gewinnaufschlag, der absolute Gewinn steigt jedoch ggf. massiv. Ebenso erhält eine Vertriebseinheit auch bei steigenden Absatzpreisen zwar weiterhin die gleiche prozentuale Nettomarge, welche jedoch ebenso in absoluten Werten steigt. Werden diese Effekte mit der üblicherweise eingeschränkten oder allenfalls zeitversetzen Möglichkeit kombiniert, Kostensteigerungen an den Markt weiterzureichen, resultiert dies in sinkenden Gewinnen oder gar Verlusten auf Ebene des Entrepreneurs.

Es ist davon auszugehen, dass derartige Gewinnsituationen von der deutschen Finanzverwaltung in zukünftigen Betriebsprüfungen eines lokalen Entrepreneurs mit der Argumentation, dass die angewendeten Verrechnungspreismethoden nicht sachgerecht seien, beanstandet werden. Bereits zuvor hat die deutsche Betriebsprüfung mitunter argumentiert, dass die Beaufschlagung der Vollkosten eines Produktionsunternehmens nicht sachgerecht sei und Materialkosten lediglich durchzureichen seien. Dem entgegengehalten wurden die Ergebnisse von Fremdvergleichsstudien (Benchmarks), die aufzeigten, dass die Vollkostenzuschläge, die unabhängige Dritte realisierten, vergleichbar seien. Ob dies in Zukunft weiterhin möglich sein wird, lässt sich jedoch heute noch nicht absehen. Es besteht zumindest die Gefahr, dass identifizierte Vergleichsunternehmen in den Jahren 2022 und 2023 niedrigere Aufschläge realisieren als zuvor, da diese unabhängigen Unternehmen ebenfalls von Inflation und steigenden Kosten getroffen sind.    

Auch wenn viele Unternehmen von einer Anpassung der Verrechnungspreise im Verlauf des ersten durch die steigende Inflation betroffenen Finanzjahres 2022 abgesehen haben, raten wir, dies für das nun laufende Jahr zu prüfen. Hintergrund ist, dass für 2022 regelmäßig auf bestehende Vereinbarungen verwiesen werden kann. Diese sehen jedoch oftmals eine kurzfristige Kündigungsmöglichkeit oder die jährliche Überprüfung der Verrechnungspreise vor. Wenn dies also für das zweite durch die gestiegene Inflation betroffene Jahr (regelmäßig 2023) bislang nicht erfolgt ist, bestehen unserer Einschätzung nach signifikante Aufgriffsrisiken, denen keine formalen Aspekte entgegenstellt werden können.

Inflationsauswirkungen bei langfristiger Preisbindung oder -absprache

Oftmals bestehen zwischen Konzernen, ihren Zulieferern und Kunden mittel- und langfristige Vertragsbeziehungen. Insbesondere langfristige Preisabsprachen haben im aktuellen Marktpreisumfeld mitunter erhebliche Ergebnisrelevanz. So kommt es vor, dass günstige Lieferkonditionen auf der Einkaufseite bei steigenden Marktpreisen zu signifikanten Übergewinnen auf Konzernebene führen. Ebenso können feste Kundenpreise zu negativen Ergebniseffekten führen. Es stellt sich die Frage, welcher Unternehmenseinheit diese Gewinne oder auch Verluste zuzuordnen sind. 

In dem zuvor besprochenen Kostenaufschlagssystem würde die Produktionseinheit von bestehenden vorteilhaften Lieferkonditionen nicht profitieren, da sie lediglich die mit Blick auf die aktuellen Marktpreise niedrigen Vollkosten beaufschlagt und somit den Kostenvorteil an den Entrepreneur weiterreicht. Dies kann dann sachgerecht sein, wenn die Lieferantenbeziehungen zwar rechtlich durch die Produktionseinheit geschlossen sind, alle wesentlichen Konditionen jedoch tatsächlich vom Entrepreneur mitverhandelt und gebilligt  wurden. Liegt der Fall jedoch anders, beispielsweise wenn die Produktionseinheit neben ihrer Tätigkeit als Auftragsfertiger auch ein eigenes Produktionsgeschäft unterhält und die Konditionen mit den Lieferanten übergreifend eigenständig verhandelt, ist nicht ersichtlich, warum sie nicht von den günstigen Konditionen profitieren sollte.

Praxishinweis

Steigende Zinsen und Inflation sind Risiken, die lange Zeit nicht eintraten und insoweit aus dem Fokus von Geschäftsführungen und Steuerabteilungen multinationaler Unternehmensgruppen geraten sind. Die in Zeiten niedriger Zinsen und niedriger Inflation erzielten Ergebnisse waren zum Teil zufällig (also zufällig fremdüblich), da potenziell wesentliche Risiken über Jahre hinweg nicht beobachtbar waren. Das Thema Inflation, aber auch steigende Zinsen, wird jedoch aktuell bleiben. Bereits in einer unserer letzten Ausgaben haben wir die Berücksichtigung von Inflation bei der Bepreisung konzerninterner Waren- und Dienstleistungstransaktionen thematisiert. 
Das Transfer Pricing Team von Grant Thornton in Deutschland unterstützt Sie bei der Analyse Ihres Verrechnungspreissystems. Gemeinsam mit Ihnen bilden wir aktuelle Marktszenarien angemessen und fremdüblich ab. Bei der technischen Umsetzung Ihrer Kalkulation sind wir der richtige Ansprechpartner. Sprechen Sie uns an!