Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat mit einem aktuellen Urteil entschieden, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall eine angemessene Barabfindung gemäß §§ 327a, 327b AktG auf Basis der kapitalisierten Ausgleichszahlung zu bemessen ist. Wir informieren Sie über die Einzelheiten.
INHALTE

Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat mit Urteil vom 21. Juni 2024 (Aktenzeichen 12 W 14/23) entschieden, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall eine angemessene Barabfindung gemäß §§ 327a, 327b AktG auf Basis der kapitalisierten Ausgleichszahlung zu bemessen ist.

Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe der angemessenen Barabfindung, die den Minderheitsaktionären der Badische Gas- und Elektrizitätsversorgungs AG (BGE AG) im Rahmen des Squeeze Outs durch die badenova AG & Co. KG (badenova) zu gewähren ist. Nachdem die dem Squeeze Out nachgelagerte Verschmelzung der BE AG auf die badenova 2014 in das Handelsregister eingetragen wurde, beschäftigte sich zunächst das Landgericht (LG) Mannheim und nunmehr das OLG Karlsruhe mit der angemessenen Entschädigung für die Minderheitsaktionäre.

Zwischen der BE AG und der badenova bestand seit 2001 ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (BGAV); nach gerichtlicher Festsetzung im Spruchverfahren war die badenova verpflichtet, den außenstehenden Aktionären eine jährliche Ausgleichzahlung von 24,64 Euro brutto je Stammaktie im Nennwert von 100 DM beziehungsweise eine Abfindung in Höhe von 315,47 Euro je Stammaktie im Nennwert von 100 DM zu zahlen.

Im Sommer 2013 stellte die badenova einen Antrag auf Übertragung der (Stamm-)Aktien der Minderheitsaktionäre nach § 327a AktG gegen angemessene Barabfindung. In dem in diesem Zusammenhang erstellten Bewertungsgutachten wurde ein Unternehmenswert von 273,32 Euro je Stammaktie im Wert von 100 DM ermittelt. Ein Börsenkurs wurde aufgrund des fehlenden Handelsvolumens nicht zur Ermittlung der angemessenen Barabfindung herangezogen. Aufgrund der im Anschluss an den Squeeze Out vorgesehenen Verschmelzung wurden die künftigen Ausgleichszahlungen nicht zur Berechnung herangezogen, da der BGAV angesichts der jederzeitigen Kündbarkeit und der anstehenden Verschmelzung nicht fortgesetzt werden sollte. Die badenova hat daraufhin den Minderheitsaktionären eine Barabfindung von 315,47 Euro je Stammaktie im Nennwert von 100 DM angeboten; dies entspricht der Höhe der Abfindung, die im Rahmen des Spruchverfahrens zum BGAV festgelegt wurde.

Die außenstehenden Aktionäre hatten sodann ein Spruchverfahren angestrengt, da ihrer Meinung nach die Ermittlung der Barabfindung fehlerhaft war. Insbesondere führten die Minderheitsaktionäre an, dass als Mindestabfindung der kapitalisierte Wert der Ausgleichszahlung nach dem BGAV zu zahlen wäre.

Zum Zeitpunkt der Hauptversammlung, die über den Squeeze Out entscheiden sollte, bestand der BGAV noch und war noch nicht gekündigt. Konnte und musste nun für Bewertung davon ausgegangen werden, dass von dessen Fortbestand unter Abstraktion von der konkreten Strukturmaßnahme auszugehen war und wenn ja, mit welcher Laufzeit? War unter Erfüllung dieser Bedingungen dann die kapitalisierte Ausgleichszahlung als Wertuntergrenze zu ermitteln?

Entscheidung des LG Mannheim als Vorinstanz

Das LG Mannheim bejahte diese Fragen mit Beschluss vom 21. Juli 2022 (Aktenzeichen 23 AktE 1/14 (2)). 

In der Rechtsprechung und Literatur war bis zur Entscheidung des BGH zu Wella III vom 15. September 2020 (Aktenzeichen II ZB 6/20) umstritten, ob die kapitalisierte Ausgleichzahlung neben dem Börsenkurs als Wertuntergrenze für die angemessene Barabfindung heranzuziehen ist. Die Entscheidung des BGH hat dann insofern Klarheit gebracht, als der Barwert der Ausgleichszahlungen unter drei kumulativ zu erfüllenden Bedingungen als (weitere) Untergrenze für eine Abfindung herangezogen werden kann, und zwar

  1. wenn dieser höher ist als der auf den Anteil der Minderheitsaktionäre entfallende Anteil des Unternehmenswerts,
  2. der Unternehmensvertrag zum Stichtag (also dem Tag der Beschlussfassung in der Hauptversammlung) bestand und
  3. von seinem Fortbestand auszugehen war.

Das LG Mannheim sah im vorliegenden Fall diese Voraussetzungen als gegeben an und urteilte, dass die Unternehmensplanung keine Anhaltspunkte für eine Vertragsbeendigung aufzeigte und damit eine ewige Laufzeit des BGAV angenommen werden konnte. Der gerichtliche bestellte Gutachter ermittelte eine kapitalisierte Ausgleichzahlung in Höhe von 506,04 Euro je Stammaktie im Nennwert von 100 DM. 

OLG Karlsruhe bestätigt Abfindung auf Basis der kapitalisierten Ausgleichszahlung

Das OLG Karlsruhe hat die Abfindung auf Basis der kapitalisierten Ausgleichszahlung nun bestätigt und herausgearbeitet, dass die konkrete Unternehmensplanung im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür böte, dass der BGAV unter Abstraktion der konkreten Strukturmaßnahme hätte beendet werden sollen. Eine Kündigung des BGAV ohne die Übernahme des Geschäftsbetriebs der BE AG durch die badenova hätte für die badenova einen Kontrollverlust bedeutet, der in Widerspruch zur Unternehmensstrategie gestanden hätte. Mit anderen Worten: Ohne den eingeleiteten Squeeze Out (als Voraussetzung für die Verschmelzung) wäre auch der BGAV nicht gekündigt worden. Daran ändert auch die konkrete tatsächliche Kündigung des Vertrags im vorliegenden Fall nichts, da diese Kündigung Folge der angestrebten Maßnahme war. Das Gericht betont, dass eine andere Sachlage vorliegt, wenn – wie in anderen Fällen – eine entsprechende Vertragskündigung auch ohne eine weitere Strukturmaßnahme erfolgt wäre.

Damit ist im vorliegenden Fall die Abfindung nach dem Barwert der Ausgleichszahlungen zu bestimmen, die aufgrund des BGAV zu zahlen waren.

Praxishinweis für anstehende Squeeze Out Verfahren

Für anstehende Squeeze Out Verfahren empfiehlt es sich daher, den Unternehmenswert, den Börsenkurs (soweit einschlägig), den Liquidationswert und – sofern ein Unternehmensvertrag vorliegt – die kapitalisierte Ausgleichszahlung zu ermitteln, um im konkreten Fall entscheiden zu können, welche Methode zu einer angemessenen Barabfindung führt.