Nach einem aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofes kann der unterjährige Hinzuerwerb von Anteilen im Rahmen eines Blockerwerbs der Rückwirkungsfiktion des Körperschaftsteuergesetzes unterfallen.
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Erträge aus Gewinnausschüttungen einer Körperschaft sind nach § 8b KStG von der Körperschaftsteuer befreit. Grundlage dafür ist das international geltende Schachtelprivileg. Die Befreiung gilt für die Körperschaft, die die Dividenden empfängt.

Voraussetzung für diese Freistellung ist eine Mindestbeteiligung von 10 Prozent der Körperschaft an der ausschüttenden Gesellschaft. Diese Mindestbeteiligung muss zu Beginn des Kalenderjahres der Ausschüttung bestehen. Mit dieser Steuerfreistellung wird vermieden, dass es zu einer mehrfachen Besteuerung kommt. Das gilt sowohl auf Ebene der ausschüttenden sowie auf Ebene der erhaltenden Körperschaft.

Besteht jedoch zu Beginn eines Kalenderjahres eine Beteiligung von unter 10 Prozent und wird durch qualifizierte Erwerbe die Mindestbeteiligungsquote bis zum Jahresende erreicht, so wird das Überschreiten der Mindestschwelle als zu Beginn des Kalenderjahres angenommen. Das geschieht dann, kraft gesetzlicher Fiktion, also quasi mit Rückwirkung. Die Steuerfreistellung der Gewinnausschüttungen kann also erreicht werden, obwohl die Mindestbeteiligungsgrenze erst im Laufe des Kalenderjahres überschritten wurde.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich jetzt zum Blockerwerb geäußert, bei dem die Mindestbeteiligungsquote unterjährig erst durch mehrere Hinzuerwerbe erreicht wurde.

Die Finanzverwaltung lehnt eine Qualifizierung des Blockerwerbs von mehreren Veräußerern für die Rückwirkungsfiktion ab, wenn je einzelnem Hinzuerwerb die Mindestgrenze von 10 Prozent unterschritten ist. Dies wird damit begründet, dass der Gesetzeswortlaut vom Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 Prozent spricht. Ein Tranchenerwerb von jeweils unter 10 Prozent wäre also vom Gesetzgeber nicht gedeckt.

Blockerwerb kann die Rückwirkungsfiktion erfüllen (BFH-Urteil vom 6.9.2023, I R 16/21)

Im Urteil befasste sich der BFH mit der grundsätzlichen Frage, ob ein Blockerwerb von der Rückwirkungsfiktion erfasst ist. Der BFH verwirft in diesem Urteil die Auffassung der Finanzverwaltung. Ein Anteilserwerb, an dem mehrere Veräußerer beteiligt sind, kann als wirtschaftlich einheitlicher Vorgang betrachtet werden. So kann die Mindestbeteiligungsgrenze auch bei Erwerben von mehreren Veräußerern überschritten werden.

Der BFH begründet dies damit, dass es keinen Unterschied machen kann, ob der Erwerb von einem oder mehreren Veräußerern erfolgt. Entscheidend ist, dass durch den Erwerb der Beteiligung von mindestens 10 % ein unternehmerischer Einfluss auf die Entscheidungen bei der Kapitalgesellschaft ausgeübt werden kann. Das hängt aber nicht von der Zahl der Veräußerer, sondern allein vom Umfang der erworbenen Beteiligung ab. Dies muss jedenfalls dann ausreichend sein, wenn die maßgebliche Beteiligung von mindestens 10 % aus Erwerbersicht in einem wirtschaftlich einheitlichen Vorgang erworben wird. Der einheitliche Erwerbsentschluss muss daher in einem kausalen und zeitlichen Zusammenhang umgesetzt werden.

Wirtschaftlich einheitlicher Erwerb (BFH-Urteil vom 13.3.2024, I R 30/21)

Der Fall ist besonders, denn die einzelnen Beteiligungen sind von unterschiedlichen Veräußerern in einer einheitlichen notariellen Urkunde erworben worden. Dies lässt auf einen einheitlichen Erwerbsentschluss schließen. Der steht auch in einem kausalen und zeitlichen Zusammenhang. Entscheidend ist aus Sicht des BFH also, dass aus Erwerbersicht ein Erwerb von mindestens 10 Prozent der Anteile vorliegt.

Zu beachten: Andere Sichtweise bei der Gewerbesteuer!

Die gewerbesteuerliche Freistellung von Gewinnausschüttungen setzt eine 15-prozentige Mindestbeteiligung zum Beginn des Erhebungszeitraums voraus. Hier gilt also eine höhere Mindestbeteiligungsschwelle. Im Übrigen gilt die Fiktion der Rückwirkung eines unterjährigen Beteiligungserwerbs von mindestens 10 Prozent auf den Beginn des Jahres bei der Körperschaftsteuer für die Gewerbesteuer nicht. Beide Gesetzesvorschriften sind nicht vollständig aufeinander abgestimmt.

Ungeklärte Fallkonstellationen von Dividendenfreistellungen

Nach den genannten Urteilen ist weiterhin die Beurteilung solcher Fälle offen, in denen die Beteiligungsschwelle außerhalb eines einheitlichen Beteiligungserwerbs in Höhe von mindestens 10 Prozent erreicht wird. Es ist nicht abschließend geklärt, wie eng die Verknüpfung verschiedener Erwerbe sein muss, damit diese als einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang gilt.  Zentral ist die Frage, wann noch von einem „kausalem und zeitlichem Zusammenhang“ zwischen verschiedenen Erwerben ausgegangen werden kann. In der Praxis sollte eine enge Orientierung an den positiv entschiedenen Urteilssachverhalten erfolgen. Erst recht bleibt offen, ob auch bei einem nicht einheitlichen Erwerb von insgesamt 10 Prozent die Steuerfreiheit des § 8b KStG bereits für diesen Veranlagungszeitraum erreicht werden kann. Auch ist strittig, ob der Hinzuerwerb einer mindestens 10-prozentigen Beteiligung auch die Steuerfreistellung einer bereits am Jahresbeginn bestehenden Beteiligung von unter 10 Prozent bewirken kann.

Beide Urteile wurden bisher nicht von der Finanzverwaltung veröffentlicht. So ist weiter offen, in welchen Konstellationen die Finanzverwaltung von ihrer engen Auffassung abweichen wird.

Wir empfehlen, in Zweifelsfragen potenzielle Gewinnausschüttungen zeitlich bewusst zu steuern. Sie haben Fragen dazu? Sprechen Sie uns gerne an. 

 

Aktuelle Beratungshinweise - kurz notiert

  • Keine Anwendung der Change of Control Regeln im Sinne des § 8c KStG auf verrechenbare Verluste im Sinne des § 15a EStG: Mit Urteil vom 24.4.2024, IV R 27/21 hat der BFH entschieden, dass § 8c KStG in Abweichung vom BMF-Schreiben vom 4.7.2008 (BStBl. I 2008, 736, Tz. 2) mangels Rechtsgrundlage nicht auf nach § 15a EStG verrechnungsgesperrte Verluste aus Beteiligungen an Mitunternehmerschaften anwendbar ist. Verluste, die eine Körperschaft als Mitunternehmerin einer KG erleidet, können erst auf der Ebene der Körperschaft den Beschränkungen des § 8c KStG unterliegen.
  • Abzugsverbot von Bewirtungskosten aufgrund verletzter Aufzeichnungspflichten: Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 17.10.2023 (6-K-6089/20, EFG 2024, 1023) entschieden, dass die Abzugsbegrenzung von Bewirtungskosten i. S. d. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG auch anzuwenden ist, wenn die Verköstigung in einen anderen betrieblichen Vorgang eingebunden und diesem gegenüber untergeordnet ist. Im Urteil ging es um Cateringkosten bei Kick-off-Veranstaltungen. Dies gilt auch, wenn neben Dritten auch eigene Arbeitnehmer an diesen Veranstaltungen teilnehmen. Auch hier gelten uneingeschränkt die besonderen Aufzeichnungs- und Verbuchungsvorschriften, bei deren Verletzung der Betriebsausgabenabzug versagt wird.
  • Regierungsentwurf eines Jahressteuergesetzes 2024: Die Bundesregierung hat mit Datum vom 5. Juni 2024 den Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2024 verabschiedet. Beschluss und Beratungen im Bundestag sind bisher nicht terminiert. Wesentliche geplante unternehmenssteuerliche Gesetzesänderungen bestehen bei
    - der Steuerbefreiung von kleinen PV-Anlagen, 
    - der steuerneutralen Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften und 
    - bei Änderungen im Umwandlungssteuergesetz (z.B. Frist zur Einreichung der steuerlichen Schlussbilanz, Buchwertfortführung der Anteile an der übernehmenden Körperschaft als Regelfall).