Tantiemeansprüche, die in den festgestellten Jahresabschlüssen nicht als Verbindlichkeit bilanziert sind, fließen dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer noch nicht zu. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 5. Juni 2024 klargestellt (Aktenzeichen VI R 20/22). Wir beleuchten diese Entscheidung.
INHALTE

Der Beitrag wurde verfasst von unserem Experten Dr. Georg Philipp Siebenlist vom Standort Hamburg.

Hintergrund

Tantiemen eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers gehören bei Angemessenheit sowie zivilrechtlicher Wirksamkeit eines im Voraus vereinbarten Gesamtvergütungspaketes zu seinem steuerpflichtigen Arbeitslohn. Diese Tantiemen gelten jedoch nicht erst dann als zugeflossen und steuerlich vereinnahmt, wenn sie bar ausbezahlt oder einem Konto gutgeschrieben werden. Nach ständiger Rechtsprechung fließen dem beherrschenden Gesellschafter die Tantiemen als Forderung gegen „seine“ Kapitalgesellschaft bereits mit ihrer Fälligkeit zu. Grund hierfür ist, dass der beherrschende Gesellschafter allein entscheiden kann, sich die Tantiemen auszahlen zu lassen, sofern der Tantiemeanspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist. Im Fall von ergebnisabhängigen Tantiemezahlungen ist der Anspruch erst mit der Feststellung des Jahresabschlusses fällig. Das gilt nicht, wenn die Vertragsparteien eine andere Fälligkeit im Anstellungsvertrag vereinbart haben. 

Die Finanzverwaltung hält es dabei für unerheblich, ob sich der Vorgang in der Bilanz der Kapitalgesellschaft tatsächlich gewinnmindernd ausgewirkt hat, etwa durch die Bildung einer Verbindlichkeit, sofern eine solche Verbindlichkeit nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung hätte gebildet werden müssen (BMF vom 12.05.2014, BStBl I 2014, 860).

Bundesfinanzhof: Tantiemeansprüche, die in den festgestellten Jahresabschlüssen nicht bilanziert sind, fließen dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nicht zu (BFH- Urteil vom 05. Juni 2024, VI R 20/22)

Der BFH klärte, inwieweit eine bei der Kapitalgesellschaft nicht bilanzierte Tantiemeverpflichtung einen Zufluss als Forderung bei dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer auslöst. Er bestätigt seine ständige Rechtsprechung, dass einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer die Einnahmen aus der Tantiemeforderung gegen die Kapitalgesellschaft bereits bei Fälligkeit der Tantieme zufließen. Dennoch widersprach er der Finanzverwaltung, die einen Zufluss auch bei nicht passivierten Verbindlichkeiten annimmt. 

Tantiemeforderungen, die in den festgestellten Jahresabschlüssen nicht ausgewiesen sind, fließen dem Gesellschafter-Geschäftsführer steuerlich nicht zu. Der BFH begründet dies damit, dass die Tantiemeansprüche wegen der fehlenden Bilanzierung nicht fällig waren. Es spielt dabei keine Rolle, ob die fehlende Passivierung auf einem Buchungsfehler oder anderen Gründen beruht. Ein Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung begründet die Fälligkeit nicht passivierter Tantiemeverpflichtungen folglich nicht.

Zufluss durch eine verdeckte Einlage 

Ein Zufluss könnte jedoch aus einer verdeckten Einlage entstehen, etwa beim Verzicht auf Tantiemeansprüche. Im vorliegenden Fall war unklar, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer die Tantiemezusage zusammen mit der Kapitalgesellschaft vor der Entstehung der Tantiemeansprüche aufgehoben, oder ob der Gesellschafter-Geschäftsführer auf die entstandenen Tantiemeansprüche verzichtet hat. Ein solcher Verzicht führt stets zu einem Zufluss, auch wenn die entsprechende Verbindlichkeit nicht passiviert worden ist (BMF vom 12.05.2014, BStBl I 2014, 860; BFH-Urteil vom 15. Mai 2013, VI R 24/12).

Empfehlungen für die Praxis 

Es ist zu begrüßen, dass die fehlende Bilanzierung von Tantiemeansprüchen des Gesellschafter-Geschäftsführer keinen Zufluss von Arbeitslohn bewirkt. Das Urteil wurde bisher jedoch nicht von der Finanzverwaltung veröffentlicht. So ist weiter offen, ob die Finanzverwaltung von ihrer abweichenden Sichtweise abrücken wird.

Wir empfehlen, dass in der Praxis entsprechende Vereinbarungen wie bspw. die Aufhebungen der Tantiemezusage oder eine spätere Zahlung zeitnah schriftlich festgehalten werden. So wird ein ungewollter Zufluss nicht ausgezahlter Tantiemeansprüche vermieden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Finanzverwaltung einen Zufluss von Arbeitslohn aufgrund einer verdeckten Einlage annimmt. 

Sollten Sie hierzu Fragen haben, sprechen Sie uns gerne an.

Aktuelle Beratungshinweise - kurz notiert

Rückstellungen für Vorruhestandsverpflichtungen in der Steuerbilanz (Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 24. Mai 2024, 3 K 2044/18 F, Revision zugelassen)

Sog. Vorruhestandsverpflichtung führen nach Ansicht des FG Düsseldorfs zu einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten nach § 249 Abs. 1 HGB. Sie sind folglich auch in der Steuerbilanz anzusetzen. Da es sich bei Verpflichtungen für Vorruhestandszahlungen nicht um Pensionsverpflichtungen i.S.d. Betriebsrentengesetzes handelt, sind die restriktiven Bilanzierungsvorgaben des § 6a EStG nicht anwendbar. Es liegen sog. vergleichbare langfristig fällige Verpflichtungen vor. Die Bewertung richtet sich nach den allgemeinen steuerrechtlichen Bewertungsvorschriften für Rückstellungen.

Aufwendungen für die Errichtung der Notentwässerungsanlage stellen abzugsfähige Betriebsausgaben dar (Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 24. Mai 2024, 3 K 2044/18 F)

Im gleichen Urteil entschied das FG Düsseldorf, dass der Einbau einer Notentwässerungsanlage auf ein Flachdach (neben einem bestehenden Entwässerungssystem, um für den Fall von Starkregen vorzubeugen) nicht über eine Modernisierung hinausgeht. Es handelt sich somit um keine Herstellungskosten, sondern Betriebsausgaben. Das Wesen der Modernisierung besteht nach Ansicht des FG Düsseldorf darin, einem Gebäude den zeitgemäßen Standard wiederzugeben, um technischen Entwicklungen und veränderten Umweltanforderungen gerecht zu werden. 

Abschlussbericht der Expertenkommission „Vereinfachte Unternehmenssteuer“ vom 12. Juli 2024

Die Expertenkommission „Vereinfachte Unternehmenssteuer“ des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) hat am 12.7.2024 unter dem Titel „Besteuerung der Unternehmen: Einfacher und Effizienter“ ihren Abschlussbericht vorgelegt.

Die Expertenkommission schlägt u.a. vor 

  • eine erhebliche Ausweitung der Verlustverrechnung, 
  • eine Rückkehr zur Einheitsbilanz sowie 
  • eine signifikante Komplexitätsreduktion der Hinzurechnungen und Kürzungen der Gewerbesteuer. 

Darüber hinaus wird ein Ausbau der Digitalisierung der Finanzverwaltung sowie eine effizientere Betriebsprüfung gefordert. Die Umsetzung der Reformvorschläge durch die Politik bleibt abzuwarten.

Regierungsentwurf eines Steuerfortentwicklungsgesetzes

Erste steuerpolitische Reformvorhaben der Wachstumsinitiative der Bundesregierung wurden nun mit dem Regierungsentwurf eines Steuerfortentwicklungsgesetzes auf den Weg gebracht. Vorgesehen ist, die degressive AfA auch im Zeitraum 2025 bis 2028 steuerlich zuzulassen und wieder auf das Zweieinhalbfache der linearen AfA, maximal 25 %, anzuheben. Daneben soll die maximale Bemessungsgrundlage für die Forschungszulage erneut angehoben werden, und zwar von aktuell 10 Mio. € auf 12 Mio. €. Diese Regelung soll für nach dem 31.12.2024 entstandene, förderfähige Aufwendungen gelten. Weiterhin ist geplant, die derzeit bestehende Möglichkeit des Sammelpostens zu einer „Pool-Abschreibung“ weiterzuentwickeln, und zwar für Wirtschaftsgüter mit Anschaffungskosten zwischen 800 EUR und 5.000 EUR, verbunden mit einer Auflösung über drei Jahre. Für Wirtschaftsgüter bis 800 EUR soll überdies die Möglichkeit der Sofortabschreibung für geringwertige Wirtschaftsgüter bestehen. Insgesamt bleibt allerdings der Verlauf des weiteren Gesetzgebungsverfahrens abzuwarten.