Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine Grundsatzentscheidung zum werblichen Umgang mit Umwelt-Begriffen wie „klimaneutral“ getroffen. Die Maßstäbe zur rechtskonformen Verwendung werden strenger (I ZR 98/23).
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Transparente und klare Werbepraxis für Unternehmen

Die Entscheidung des BGH zu mehrdeutigen umweltbezogenen Begriffen (konkret ging es um die Verwendung von „klimaneutral“ in Bezug auf Süßigkeiten – die Entscheidung gilt aber generell, auch für Begriffe wie „CO2-neutral“, „treibhausgasneutral“, „umweltfreundlich“ o. ä.) setzt strenge Standards für umweltbezogene Werbung. Bei der Verwendung umweltbezogener Begriffe müssen Unternehmen bereits in der Werbung klar und transparent sein. Ansonsten drohen Abmahnungen durch Abmahnverbände oder Wettbewerber. Außerdem kann es zu negativer Presse unter dem Schlagwort „Greenwashing“ kommen. 

Doch was ist der Unterschied zwischen „Green Advertising“ und „Greenwashing“? Die Grenzen sind bisher nicht klar definiert. Das BGH-Urteil stellt nun unmissverständlich klar, dass Werbende jedenfalls transparent agieren müssen. Wieso verwendet der Werbende einen bestimmten Begriff und was beinhaltet dieser? Faktisch muss die Werbeaussage dann auch nachvollziehbar/nachprüfbar sein. Unzweifelhaft liegt Greenwashing vor, wenn falsche Angaben gemacht werden. Aber auch nicht nachprüfbare (intransparente) Angaben werden künftig als Greenwashing gelten müssen.

Auswirkung und Geltungsbereich der Entscheidung sind groß. Zum einen gelten die Grundsätze allgemein für mehrdeutige umweltbezogene Begriffe (nicht nur für „klimaneutral“). Zum anderen ist die Entscheidung nicht auf Unternehmen der Lebensmittelindustrie begrenzt, sondern branchenübergreifend von jedem Unternehmen zu beachten, das mit einem mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff werben will oder bereits wirbt.

Beispiele für Intransparenz/Greenwashing in der Werbung

Beispiele für Intransparenz in der Werbung gibt es viele – von Fastfood-Ketten über Lebensmittel- und Technikproduzenten bis hin zu Supermärkten und Mode-Discountern. Häufig wird in der Werbung vermittelt, man gehe in der Produktion besonders umweltschonend vor, etabliere eine Kreislaufwirtschaft für Abfallprodukte (was in der Regel selbstverständlich und gesetzlich vorgegeben ist) oder nutze umweltfreundliche Materialien. Teilweise bleibt im Detail unklar, welche konkreten Maßnahmen umgesetzt werden. Verschiedentlich stellt sich bei näherem Hinsehen heraus, dass die Maßnahmen nur einen sehr geringen oder keinen nachweisbaren Mehrwert für die Umwelt haben. Werbebotschaften zu einer langfristigen Nachhaltigkeitsstrategie sind häufig „hohle Phrasen“, die zu überprüfen oder nachzuverfolgen für die Adressaten der Werbung nicht unmittelbar möglich ist.

Umdenken in Werbung und Marketing zwingend

Die Entscheidung des BGH und die Haltung der EU machen ein Umdenken in Marketing- und Werbeabteilungen erforderlich. Unternehmen müssen ihre Werbung jetzt sorgfältig überprüfen und ggf. anpassen. Zur Vermeidung von Irreführungen muss künftig in der Werbung selbst erläutert werden, welche konkrete Bedeutung verwendete umweltbezogene Begriffe aus Sicht des werbenden Unternehmens haben. Klarstellende Erläuterungen müssen in die Werbeanzeige selbst einbezogen werden. Aufklärende Hinweise auf Internetseiten außerhalb der Werbung reichen nicht mehr. Aufgrund des Gebots der Nachprüfbarkeit sollten Werbende Nachweise für die Behauptungen in ihren Werbebotschaften bereithalten. 

Die Situation wird sich auch über die BGH-Entscheidung hinaus für werbende Unternehmen verschlechtern: Die Anforderungen werden sich aufgrund der (bis März 2026 umzusetzenden und ab September 2026 gültigen) EmpCo-Richtlinie 2024/825 der EU weiterentwickeln. Auch die Green-Claims-Richtlinie, die sich noch im Gesetzgebungsprozess befindet, wird in den nächsten Jahren relevant.

Mit der EmpCo-RL wird ein Verbot für produktbezogene Werbung mit der Kompensation von Treibhausgasen eingeführt. Kompensations-Werbung sei grundsätzlich irreführend, weil Kompensationsmaßnahmen und tatsächliche CO2-Einsparungen nicht gleichwertig seien. Hier liegen die EU und der BGH auf einer Linie. Die Werbung für die Klimaneutralität von Produkten ist ab September 2026 nur noch erlaubt, wenn sie nicht auf Kompensationsmaßnahmen beruht.

Ergänzend dazu sieht die Green Claims-RL (nach derzeitigem Entwurfsstand) vor, dass Unternehmen ausdrückliche Umweltaussagen vorab umfassend bewerten, begründen und durch eine akkreditierte Konformitätsbewertungsstelle genehmigen lassen müssen.