In einem kürzlich veröffentlichten Urteil hat der Bundesfinanzhof (BFH) zur Steuerfreiheit von Heilbehandlungen wie Haarwurzeltransplantationen Stellung genommen. Derartige Behandlungen können steuerfrei sein, entscheidend ist der Krankheitswert. Die Grundsätze des Urteils werfen Abgrenzungsfragen auf und könnten über den Einzelfall hinaus Bedeutung haben.
INHALTE

Urteil des BFH: Haartransplantationen können therapeutischen Zweck haben

Im Streitfall ging es um einen Facharzt für Chirurgie, der eine Praxis für die Behandlung von Haarausfall (Alopezie) betreibt. Der Arzt deklarierte neunzig Prozent seiner Umsätze als steuerfrei, da es sich um Heilbehandlungen im Sinne des § 14 Nr. 14 lit. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) handelte. Die Finanzverwaltung war jedoch der Meinung, dass nur Haarverpflanzungen bei narbiger Alopezie steuerfrei seien, da nur hier ein Krankheitswert im Sinne des § 27 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch V vorliegt. Das Finanzgericht (FG) bestätigte lediglich die Steuerfreiheit der Diagnosetätigkeit, woraufhin der Arzt Revision einlegte.

Der BFH entschied, dass die Revision begründet sei. Zwar habe das FG zu Recht die Diagnosetätigkeit als steuerfrei eingestuft, doch hätte es die Haartransplantationen nicht pauschal vom therapeutischen Zweck ausschließen dürfen. Das FG habe unzureichend geprüft, ob die verschiedenen Formen des Haarausfalls behandlungsbedürftig seien. Der BFH stellte klar, dass Haartransplantationen einen therapeutischen Zweck haben können, auch wenn sie nicht die Ursache des Haarausfalls behandeln. Entscheidend sei, ob die mit der Ursache verbundenen Mängel ausgeglichen werden können.

Nicht in jedem Fall liegt eine Heilbehandlung vor

Der BFH betont, dass nicht jede ästhetische Behandlung eine Heilbehandlung darstellt. Ob eine Behandlung steuerfrei ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Die subjektive Vorstellung des Patienten ist dabei nicht entscheidend. Die medizinische Beurteilung muss von qualifiziertem Fachpersonal vorgenommen werden. Der behandelnde Arzt darf diese Feststellung nicht eigenmächtig treffen, selbst wenn er dem Fachpersonal angehört. Um die sachlichen Voraussetzungen zu belegen, fordert der BFH eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung, die die Grundlage der fachlichen Beurteilung und die angewandten Methoden dokumentiert.

Laut BFH stellt Haarausfall dann einen behandlungsbedürftigen Zustand dar, wenn der Verlust oder Mangel an Haaren Krankheitswert hat, objektiv entstellend wirkt oder zu Folgeerkrankungen führt. Die fehlende Schutzfunktion der Haare gegenüber Sonne, Kälte und Hitze reicht jedoch allein nicht aus, um einen Krankheitswert zu begründen.

Praxisrelevanz: Urteil gilt auch für andere Behandlungsleistungen

Mit der Formulierung ästhetische Heilbehandlungen „wie Haartransplantationen“ signalisiert der BFH, dass dieses Urteil auch auf andere ästhetische Behandlungen anwendbar ist. Die Grundsätze des BFH zur Abgrenzung von Heil- und rein ästhetischen Behandlungen sind daher allgemein relevant.

Handeln Sie jetzt:
Unsere Expertinnen und Experten beraten Sie umfassend zur steuerlichen Qualifizierung Ihrer medizinischen Leistungen. Nutzen Sie unser Fachwissen, um Unsicherheiten zu vermeiden und offene Veranlagungszeiträume korrekt zu bearbeiten. Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Beratung.