Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden: Auch während des coronabedingten Lockdowns weitergezahlte Beiträge für Fitnessstudios können umsatzsteuerlich als Entgelt gelten – entscheidend ist der ursprünglich vereinbarte wirtschaftliche Vorteil für den Kunden, nicht die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit.
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Streitige Sachverhalte

Im Frühjahr 2020 mussten Fitnessstudios infolge behördlicher Anordnungen pandemiebedingt schließen – konkret im Zeitraum vom 17. März bis 17. Mai. Viele Mitglieder zahlten ihre Beiträge dennoch weiter, gestützt auf bestehende 12- oder 24-Monatsverträge. Als Ausgleich boten die Studios teils beitragsfreie Bonus-Monate am Vertragsende oder digitale Ersatzangebote wie Online-Kurse an.

Die Finanzverwaltung behandelte die fortgezahlten Beiträge als umsatzsteuerpflichtige Anzahlungen. Ergänzend wurde auf eine mögliche Korrektur nach § 17 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) bei späterer Rückzahlung hingewiesen. Die finanzgerichtliche Rechtsprechung zeigte sich uneinheitlich:

  • Das Finanzgericht (FG) Hamburg (Urteil vom 16. Februar 2023, Aktenzeichen 6 K 239/21) verneinte eine steuerpflichtige Leistung während der Schließmonate aufgrund tatsächlicher Unmöglichkeit.
  • Das FG Schleswig-Holstein (Urteil vom 16. November 2022, Aktenzeichen 4 K 41/22) hingegen bejahte die Steuerbarkeit und stellte auf einen dennoch bestehenden wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Zahlung und Leistung ab.

Entscheidungen des BFH

Mit seinen Urteilen vom 13. November 2024 (Aktenzeichen XI R 5/23 und XI R 36/22) folgt der BFH der Auffassung des FG Schleswig-Holstein sowie der Finanzverwaltung. Nach den Maßstäben des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) und d seiner ständigen Rechtsprechung bejaht der BFH einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Zahlung und Leistung – selbst bei vorübergehender Schließung des Studios.

Die Beiträge stellen aus Sicht des BFH das Entgelt für steuerbare Teilleistungen im Sinne des § 13 UStG dar. Die Voraussetzungen für eine Anzahlungsbesteuerung seien erfüllt – alle relevanten Merkmale der Leistung waren im Vertrag bekannt und bestimmt. Entscheidend ist, dass der Kunde einen verbrauchsfähigen Vorteil erhält, etwa durch zugesagte Bonus-Monate.

Auch die reine Leistungsbereitschaft des Unternehmens genügt, um einen Leistungsaustausch zu begründen – unabhängig davon, ob der Kunde die Leistung tatsächlich in Anspruch nimmt. Die zivilrechtliche Unmöglichkeit der Leistungserbringung (§ 275 BGB) aufgrund der gezwungenen Schließung sei für umsatzsteuerliche Zwecke unbeachtlich.

Zudem bestätigt der BFH seine Linie zur Korrektur der Bemessungsgrundlage (§ 17 UStG): Eine solche ist erst möglich, wenn es zu einer tatsächlichen Rückzahlung kommt. Ein bloßer Rückforderungsanspruch des Kunden genügt noch nicht.
Beratungshinweise

Mit diesen Entscheidungen konkretisiert der BFH seine wirtschaftsbezogene Auslegung des Leistungsaustauschs. Für Unternehmen und steuerliche Berater ergeben sich daraus folgende zentrale Punkte:

  • Auch bei pandemiebedingten Schließungen kann eine Umsatzsteuerpflicht für fortgezahlte Beiträge bestehen.
  • Bonus-Monate und ähnliche Modelle begründen einen wirtschaftlichen Vorteil und damit ein steuerpflichtiges Entgelt.
  • Die zivilrechtliche Unmöglichkeit der Leistungserbringung steht der Steuerbarkeit nicht entgegen.
  • Eine Rückzahlung ist zwingende Voraussetzung für eine Korrektur nach § 17 UStG.
  • Die Rechtsprechung steht im Einklang mit der aktuellen EuGH-Rechtsprechung (C-622/23, Urteil vom 28. November 2024).

Fazit 

Der Trend der Rechtsprechung zur Einordnung von vermeintlich ohne konkreten Zusammenhang zu einer Leistung vereinnahmte Zahlungen als steuerbares Entgelt setzt sich mit diesen Urteilen fort. Eine vorsorgliche Prüfung der Umsatzsteuerpflicht kann spätere Risiken reduzieren – insbesondere in Zweifelsfällen.

Dieser Beitrag wurde von unseren Experten Benjamin Bergau und Lucas Rapp verfasst.