Spanien arbeitet weiter an der Digitalisierung von Geschäftstransaktionen durch die Einführung einer verpflichtenden elektronischen Rechnungsstellung. Sie gilt für Unternehmen und Selbstständige. Im Rahmen unserer Artikelserie „E-Rechnung in der EU“ widmen wir uns den neuesten Entwicklungen in Spanien und beleuchten die wichtigsten Aspekte des spanischen E-Invoicing-Systems, die Anwendungsbereiche und Erfahrungswerte von Grant Thornton Spanien.
INHALTE

Spaniens Umsetzung: Gesetz 18/2022 und Entwurf eines Königlichen Erlasses

Die Umstellung auf die elektronische Rechnung ist zentraler Bestandteil der Maßnahmen der EU zur Bekämpfung von Betrug und zur Senkung der Transaktionskosten. Außerdem soll die Transparenz im Rahmen der Verordnung über die Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter (ViDA) gefördert werden. Weitere Einblicke in Italien, dem Vorreiter der elektronischen Rechnungsstellung unter den EU-Mitgliedstaaten, und Polen, das die Einführung der obligatorischen elektronischen Rechnungsstellung für 2026 plant, finden Sie unter den markierten Ländern.

Am 20. Juni 2023 schloss sich Spanien dem europaweiten Vorhaben an und veröffentlichte den Entwurf eines Königlichen Erlasses (Draft Royal Decree) zur Umsetzung des Gesetzes 18/2022. Es weitete die Verpflichtung zur Ausstellung und zum Versand elektronischer Rechnungen auf alle Unternehmen (Unternehmer) und Selbstständige im B2B-Bereich aus. Derzeit wird der Entwurf des Königlichen Erlasses vom spanischen Staatsrat geprüft. Nach der Prüfung muss der Erlass vom Ministerrat genehmigt und offiziell im spanischen Amtsblatt veröffentlicht werden. Zwölf Monate nach der Veröffentlichung tritt der Königliche Erlass in Kraft.

Das Gesetz 18/2022 legt Folgendes fest:

  • technische Anforderungen und benötigte Informationen für das künftige spanische E-Invoicing-System für Unternehmen und Selbstständige,
  • Mindestanforderungen an die Interoperabilität zwischen Anbietern technischer Lösungen für das E-Invoicing, sowie
  • Anforderungen an die Sicherheit, Kontrolle und Standardisierung der Geräte und IT-Systeme, die die Dokumente generieren.

Geltungsbereich für E-Rechnungen in Spanien 

Unternehmer und Selbstständige sind, um (Umsatzsteuer-)Compliance zu gewährleisten, dazu verpflichtet, für alle Transaktionen zwischen Unternehmen elektronische Rechnungen auszustellen und zu übermitteln. Diese Verpflichtung gilt jedoch nicht für:

  • vereinfachte Rechnungen (Tickets),
  • freiwillig ausgestellte Rechnungen,
  • Beteiligte, die ihren Hauptsitz, ihre Niederlassung oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Spanien haben.

Dennoch müssen elektronische Rechnungen ausgestellt werden, wenn beide Parteien freiwillig vereinbaren, die Verpflichtungen zur elektronischen Rechnungsstellung durch Empfänger oder Dritte zu erfüllen. In diesen Fällen ist die zur Ausstellung der Rechnung verpflichtete Person für die Einhaltung aller festgelegten Verpflichtungen verantwortlich – und zwar unabhängig von der beteiligten Drittpartei.

Die Pflicht zur elektronischen Rechnungsstellung gilt ein Jahr nach der Veröffentlichung des endgültigen Königlichen Erlasses für Unternehmen und Selbstständige mit einem Jahresumsatz von über acht Mio. Euro. Für alle anderen Unternehmen und Selbstständigen tritt sie zwei Jahre nach der Genehmigung des Erlasses in Kraft. In den ersten 12 Monaten ab der Veröffentlichung müssen Unternehmen, die zur Ausstellung elektronischer Rechnungen verpflichtet sind, den Rechnungen auch eine PDF-Version beifügen. Dadurch wird die Lesbarkeit für Empfänger gewährleistet, die noch nicht zum Empfang elektronischer Rechnungen verpflichtet sind, es sei denn, der Empfänger stimmt freiwillig und ausdrücklich zu, Rechnungen in ihrem ursprünglichen elektronischen Format zu akzeptieren.

Das elektronische Rechnungsstellungssystem in Spanien: private Plattformen und öffentliche Lösung

Das spanische elektronische Rechnungsstellungssystem besteht aus

  • privaten E-Invoicing-Plattformen, die den Anforderungen des Königlichen Erlasses entsprechen, und der
  • öffentlichen Lösung für E-Rechnungen, die von den spanischen Finanzbehörden (AEAT) verwaltet wird. Sie dient auch als Rechnungsarchiv.

Für eine vollständige Umsatzsteuer-Compliance kann die elektronische Rechnungsstellung über die öffentliche E-Rechnungslösung, private E-Rechnungsplattformen oder eine Kombination aus beidem erfolgen.

Die öffentliche Plattform für die elektronische Rechnungsstellung bietet eine kostengünstige Option, die Unternehmen und Selbstständigen einen grundlegenden Zugang ermöglicht. Gleichzeitig dient sie als Empfänger von Informationen zu Rechnungen und deren Status und erleichtert die Überwachung künftiger Zahlungsfristen für Rechnungen. Der Königliche Erlass legt auch die Zugangsverfahren zum öffentlichen System, die einheitliche Syntax für Rechnungen, die Übermittlung des Rechnungsstatus und die Verknüpfungen zwischen den öffentlichen und privaten Plattformen fest.

Private Plattformen müssen die Interoperabilität sicherstellen, indem sie Rechnungen in alle unterstützten Formate umwandeln, sich mit anderen privaten E-Rechnungsplattformen verbinden und alle Verbindungsanfragen akzeptieren. Mit Zustimmung des Kunden können sie auch die öffentliche E-Rechnungslösung für die Verbindung nutzen. Werden E-Rechnungen ausschließlich über private E-Rechnungsplattformen ausgetauscht, muss außerdem eine automatisch generierte Kopie aller E-Rechnungen im öffentlichen E-Rechnungssystem in der Facturae-Syntax hinterlegt und vom Aussteller mit einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur versehen werden.

Verpflichtende Übermittlung des Status von E-Rechnungen in Spanien

Empfänger von E-Rechnungen müssen den Aussteller entweder über die kaufmännische Annahme oder Zurückweisung der Rechnung unter Angabe des Datums sowie über die vollständige Zahlung der Rechnung und deren Datum informieren. Darüber hinaus können sie folgende Angaben machen:

(i) teilweise kaufmännische Annahme oder Zurückweisung der Rechnung und deren Datum,

(ii) teilweise Zahlung der Rechnung unter Angabe des gezahlten Betrags und des Datums oder

(iii) Abtretung der Rechnung an einen Dritten zum Forderungseinzug oder zur Zahlung, einschließlich Angabe des Abtretungsempfängers und des Datums der Abtretung.

Die Angaben zum Rechnungsstatus müssen innerhalb von vier Kalendertagen übermittelt werden, wobei Wochenenden und nationale Feiertage nicht berücksichtigt werden. Diese Informationspflicht tritt 36 Monate ab Veröffentlichung des Königlichen Erlasses für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als sechs Mio. Euro und 48 Monate ab Veröffentlichung für kleinere Gesellschaften in Kraft. Bis dahin ist die Übermittlung von Angaben zum Status freiwillig.

Zusammenfassung und Ausblick

Mit den im Gesetz 18/2022 festgelegten Anforderungen verfolgen die spanischen Behörden einen Ansatz, der stark an die Umsetzung der elektronischen Rechnungsstellung in Italien vor einigen Jahren angelehnt ist. Mit einer zentralen Datenaustauschplattform in der öffentlichen E-Rechnungsplattform sind alle Rechnungen über eine staatlich betriebene Schnittstelle zu leiten. Sie ermöglicht den Finanzbehörden direkten Zugriff auf relevante Rechnungsdaten und ist damit ein wesentlicher Faktor für die ViDA-Initiative (Umsatzsteuer im digitalen Zeitalter) der Europäischen Kommission.

Der aktuelle Gesetzesentwurf ist jedoch in Bezug auf das tatsächlich zu übertragende Datenformat und die technische Datenschnittstelle (abgesehen von der obligatorischen Kopie an die öffentliche E-Rechnungsplattform) etwas unklar. Damit unterscheidet er sich von den strengeren Anforderungen, wie wir sie beispielsweise beim KSeF-System in Polen gesehen haben.

Insgesamt scheint die erwartete spanische Lösung mit der Möglichkeit privater E-Rechnungsplattformen eine gute Grundlage für technologische Innovationen auf dem spanischen Markt zu sein. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die erzwungene Interoperabilität zwischen den Plattformen tatsächlich zu einem breiten Markt für Lösungen führt oder ob die Interoperabilität nur in einer kleinen Gruppe ausgewählter Technologien gewährleistet werden kann.

In den nächsten Monaten und Jahren wird sich herausstellen, ob einige dieser Schwachstellen im laufenden Gesetzgebungsverfahren behoben werden.