Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat im November 2024 einen neuen Referentenentwurf der Fernwärme-Versorgungsbedingungen-Verordnung (AVBFernwärmeV) vorgelegt. Wir beleuchten die Unterschiede zu den beiden bisherigen Entwürfen sowie die potenziellen Auswirkungen auf die Fernwärmeversorgung in Deutschland.
INHALTE

Konkretisierung der Anforderungen an Preisänderungsklauseln

In dem im Juli 2024 vorgelegten Referentenentwurf wurden die Anforderungen an die Gestaltung der Preisänderungsklauseln angepasst bzw. konkretisiert. Im neu eingeführten § 24a des Entwurfs fand die Rechtsprechung des BGH Eingang, die Fernwärmeversorgungsunternehmen (FVU) ein einseitiges Recht zur Änderung der Preisänderungsklausel im Falle eines Energieträgerwechsels oder einer wesentlichen Änderung der Beschaffungsstruktur einräumte. Diese Regelung ist nun nicht mehr vorgesehen. Obwohl die höchstrichterliche Rechtsprechung zunächst weiterhin Gültigkeit besitzt, wäre eine Verankerung im Gesetz wünschenswert, da dies letztlich zu mehr Klarheit und Rechtssicherheit führen würde. Im Übrigen hat die Preisänderungsklausel nunmehr eine Berechnungsformel zu enthalten.

Der allgemeine Grundsatz der angemessenen Berücksichtigung von Kosten- und Marktelement bleibt bestehen. Auch die Verwendung von Indizes im Rahmen des Kostenelements soll weiterhin zulässig sein. Künftig soll daneben jedoch auch die Berücksichtigung tatsächlicher Kosten möglich sein, solange dies wirtschaftlich sinnvoll ist und verständlich dargestellt wird. Für die Abbildung der Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt („Marktelement“) wird der bereits von vielen Versorgern verwendete Wärmepreisindex des Statistischen Bundesamts (Code CC13-77) explizit als zulässig bestätigt. Nach dem § 24 Abs. 1 Satz 5 des aktuellen Referentenentwurfs wird bezüglich des Marktelements eine „angemessene Berücksichtigung“ angenommen, wenn neben der Verwendung des zuvor genannten Index außerdem eine Gleichgewichtung des Kosten- und Marktelements vorgenommen wird.

Eine weitere wichtige Änderung betrifft die Weitergabe von Kosten für Treibhausgasemissionen: Diese sollen nur noch separat weitergegeben werden können, wenn sie nicht bereits in den verwendeten Kostenindizes enthalten sind. Die nahezu unvermeidbare, teilweise Doppelbelastung über das Marktelement ist zumindest dem Wortlaut zufolge nicht unzulässig, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Wärmepreisindex als Marktelement vorgesehen ist.

Steigerung von Verbraucherrechten und Transparenz

Die Informations- und Transparenzpflichten für FVU entsprechend den bereits bestehenden Vorgaben sollen künftig in einem neuen § 1b AVBFernwärmeV zusammengeführt werden und insgesamt deutlich gesteigert werden. Hierfür werden Anforderungen an leicht zugängliche und verständliche Informationen auf einer einzurichtenden Website gestellt. Zu den Pflichtinformationen gehören die Preise und Preisbestandteile, die Quellen der verwendeten Indizes sowie Angaben zur jeweiligen Beschaffungsstruktur. Zudem müssen durchschnittliche jährliche Abnahmepreise anhand von Beispielen dargestellt werden. Weitere Informationspflichten umfassen Netzverluste, Energieeffizienzmaßnahmen sowie Maßnahmen zur Gewährleistung eines sicheren, zuverlässigen und leistungsfähigen Betriebs des Wärmenetzes. Auch der Anteil der Wärmegewinnungstechnologien und eingesetzten Brennstoffe sowie die jährlichen Treibhausgasemissionen müssen offengelegt und sogar grafisch dargestellt werden. Gemäß § 1b Abs. 2 AVBFernwärmeV-RefE soll zukünftig zudem ein Berechnungstool zur Preisänderungsklausel einschließlich einer Musterberechnung zur Verfügung gestellt werden müssen. Ziel dieser Regelungen ist es, den Verbraucherschutz zu stärken. Darüber hinaus könnten die nach § 1b AVBFernwärmeV-RefE gesammelten Informationen die Grundlage für die für viele Unternehmen verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung bilden. Abweichend von der Fassung des Referentenentwurfs mit Stand Juli 2024 sollen die Musterberechnung und das interaktive Berechnungsinstrument spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten der Verordnung veröffentlicht werden. Laut § 1b Abs. 3 der derzeit gültigen Entwurfsfassung muss die Musterberechnung, zusätzlich zu den im § 1b Abs. 1 genannten Informationen, auch vor dem Vertragsabschluss dem Kunden übermittelt werden, was in der Fassung vom Stand Juli 2024 noch nicht vorgeschrieben war.

Nach der aktuell geltenden Fassung der AVBFernwärmeV sind gemäß § 32 AVBFernwärmeV Höchstvertragslaufzeiten von zehn Jahren vorgesehen. Während der Referentenentwurf aus Juli 2024 noch Reduzierungen der zulässigen Vertragslaufzeit für bestimmte Verträge vorsah, soll die maximale Vertragslaufzeit nach dem neuesten Referentenentwurf nunmehr wieder ohne Ausnahme zehn Jahre betragen. Wesentliche Änderungen ergeben sich jedoch im Bereich der stillschweigenden Vertragsverlängerung. Grundsätzlich soll diese zwar weiterhin um jeweils fünf Jahre möglich sein. Für Verträge mit Verbrauchern im Sinne des § 13 BGB, die eine Vielzahl der Verträge ausmachen dürften, soll die Verlängerung künftig nur um höchstens zwei Jahre möglich sein und muss ein Jahr im Voraus unter Hinweis auf die Kündigungsmöglichkeit angekündigt werden.

Uneingeschränkte Leistungsanpassung für Kunden bei Wärmeleistungsreduzierungen bis zu 50 %

Gemäß § 3 der aktuell geltenden AVBFernwärmeV kann die Leistung einmal jährlich angepasst werden, ohne dass ein Nachweis erforderlich ist, sofern sich die Leistung nicht um mehr als 50 % reduziert. Das Leistungsanpassungsrecht der Kunden sollte nach dem Referentenentwurf aus Juli 2024 begrenzt werden und nur noch in zwei eindeutig definierten Fällen bestehen:

  1. Der Kunde kann nachweisen, dass das Wärmenetz nicht den Anforderungen des WPG bzw. der Energieeffizienzrichtlinie (RL 2023/1791/EU) entspricht und sein Wärmebedarf teilweise durch alternative Wärmeversorgungen gedeckt wird, sodass die Anforderungen des § 71 Abs. 1 GEG erfüllt werden oder
  2. der Energiebedarf kann durch Energieeffizienzmaßnahmen dauerhaft gesenkt werden.

Im neuesten Referentenentwurf vom November 2024 wurden jedoch die beiden oben genannten Voraussetzungen wieder gestrichen. Dies bedeutet eine nahezu vollständige Rückkehr zur bisherigen Regelung, mit der Ausnahme, dass die Leistungsreduzierung nun mindestens 5 % der vertraglich vereinbarten Wärmeleistung betragen muss. Die Anpassung kann einmal jährlich mit einer Frist von vier Wochen zum Ende eines Kalendermonats erfolgen, was der entsprechenden Regelung im derzeit geltenden Gesetz entspricht.

Sofern eine Reduktion der Leistung um mehr als 50 % erfolgen soll, ist dies jedoch nur möglich, falls der Wärmebedarf vollständig durch eine andere Wärmeversorgung in Erfüllung der Anforderung aus § 71 Abs. 1 GEG ersetzt wird; dies ist zudem nachzuweisen. In diesem Fall ist ebenfalls eine Kündigung des Vertrags möglich. Im derzeit geltenden Gesetz ist lediglich geregelt, dass in diesem Fall der Einsatz erneuerbarer Energien nachgewiesen werden muss. Dies gilt nicht bei einer erstmaligen Versorgung eines einzelnen Gebäudes durch eine Wärmeerzeugungsanlage, die den Anforderungen GEG entspricht, oder an einem erstmaligen Anschluss an ein Gebäudenetz oder Kleinstnetz.

Die im vorherigen Referentenentwurf vorgesehene Möglichkeit des Wärmeversorgers, bei Verträgen, die sich innerhalb der Erst-Vertragslaufzeit befinden und sich auf ein Wärmenetz mit einer Gesamtnennleistung unter 20 MW beziehen, die durch die Anpassung des Grundpreises verursachten Kosten und den nicht abgeschriebenen Teil der Vermögenswerte im Rahmen einer Ausgleichszahlung zu berücksichtigen, ist mit dem aktuellen Referentenentwurf ersatzlos weggefallen.

Digitalisierung und damit veränderte Kommunikation zwischen den Vertragsparteien

Künftig wird außerdem eine verstärkte digitale Kommunikation zwischen den Vertragsparteien angestrebt. Änderungen der allgemeinen Versorgungsbedingungen müssen in Textform mitgeteilt werden und auf der Internetseite des Wärmeversorgers veröffentlicht werden. Die einseitige, öffentliche Bekanntgabe reicht somit nicht mehr aus. Darüber hinaus soll für Vertragsabschlüsse die Textform genügen und Kündigungen nunmehr über Kommunikationsmittel wie E-Mail möglich sein.

Reduzierung des Baukostenzuschusses auf 50 %

Darüber hinaus enthält der aktuelle Referentenentwurf eine Reduzierung des Baukostenzuschusses auf lediglich 50 % statt bisher 70 % der Kosten, die bei wirtschaftlicher Betriebsführung erforderlich sind, um neue Verteilungsanlagen zu errichten oder bestehende Anlagen zu verstärken, die der lokalen Versorgung dienen. Diese Maßnahme könnte potenziell zu einem Anstieg der laufenden Leistungs- oder Grundpreise führen, da die vom Versorger zu tragenden Kosten durch die reduzierte Weiterverrechnung der Investitionskosten entsprechend steigen.

Wir unterstützen Sie bei Fragen rund um den Referentenentwurf der AVBFernwärmeV

Die Novelle der AVBFernwärmeV mit Stand November 2024 bringt insbesondere im Vergleich zum Entwurf aus Juli 2024 aus Versorgersicht kein signifikant höheres Maß an Rechtssicherheit, sondern primär umfangreiche Erweiterungen der Pflichten. Derzeit ist noch nicht absehbar, wann und mit welchem tatsächlichen Inhalt die initiierte Novellierung fortgesetzt und beschlossen wird.

Damit Sie für die neuen Anforderungen bestmöglich gewappnet sind, beraten wir Sie gerne umfassend und unterstützen Sie bestmöglich dabei, die Machbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Erfüllung der rechtlichen Anforderungen Ihrer Umstellung zu überprüfen und Änderungsmitteilungen gesetzeskonform zu formulieren. Die nachfolgende Abbildung veranschaulicht einen Überblick über den potenziellen Handlungsbedarf gemäß dem Referentenentwurf der AVBFernwärmeV (Stand November 2024) sowie über unsere möglichen Unterstützungsleistungen.