Das Bundesverfassungsgericht hat heute seine mit Spannung erwartete Entscheidung zum Solidaritätszuschlag bekannt gegeben. Das Gericht urteilte, dass die umstrittene Abgabe weiterhin verfassungskonform ist. Für die Steuerpflichtigen bleibt damit auf absehbare Zeit alles beim Alten. Eventuelle gesetzliche Änderungen durch eine neue Koalitionsregierung bleiben abzuwarten.
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Der 1995 zur Finanzierung der Kosten der deutschen Einheit eingeführte Solidaritätszuschlag ist seit vielen Jahren unter verschiedenen Gesichtspunkten verfassungsrechtlich umstritten. Der Bundesfinanzhof hatte noch in 2023 entschieden, dass der Solidaritätszuschlag in den Jahren 2020 und 2021 (noch) nicht verfassungswidrig war. Am 26. März 2025 hat nunmehr das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung zum Solidaritätszuschlag für das Jahr 2020 (nach Auslaufen des „Solidarpaktes“) und für Jahre ab 2021 (nach Rückführung des Solidaritätszuschlages auf nur noch ca. 5% bis 10% der Steuerpflichtigen, nämlich solche mit höherem Einkommen) bekannt gegeben: Danach ist der Solidaritätszuschlag verfassungskonform und darf aktuell weiter erhoben werden.

Um was genau geht eigentlich der Streit?

Beim Solidaritätszuschlag handelt es sich um eine sogenannte Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer. Das Aufkommen dieser beiden Steuern (Gemeinschaftssteuern) steht Bund und Ländern gemeinsam zu. Demgegenüber geht der Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe allein an den Bund, weshalb die Länder hier auch nicht in die Gesetzgebung involviert sind. Art 106 GG sieht die Möglichkeit zur Erhebung einer Ergänzungsabgabe vor, um nicht anderweitig auszugleichenden temporären „zusätzlichen Finanzbedarf“ des Bundes zu decken.  Daraus ergibt sich zwar nicht von vornherein eine Befristung, aber eine Zweckbindung des Aufkommens und eine Begründungspflicht des Gesetzgebers, ansonsten würde die Ergänzungsabgabe zu einer voraussetzungslosen „Bundeseinkommensteuer bzw. -körperschaftsteuer“, die der im Grundgesetz geregelten Aufteilung dieser Gemeinschaftssteuern nicht entspräche. 

Bundesverfassungsgericht sieht weiterhin noch wiedervereinigungsbedingte Lasten 

Der Solidaritätszuschlag wurde ursprünglich zur Finanzierung der Lasten der 1990 vollzogenen deutschen Wiedervereinigung eingeführt. Die Lastenteilung und Zuweisung besonderer Mittel zwischen Bund und Ländern erfolgte über die Solidarpakte I und II. Der Solidarpakt II ist Ende 2019 ausgelaufen. Das ist allerdings nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unbeachtlich. Nach Auffassung des Gerichts bestehen auch heute noch strukturelle Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Ein Gutachten sowie Vorträge von Ökonomen in der mündlichen Verhandlung am 12. November 2024 „verdeutlichen die fehlende Evidenz eines Wegfalls des wiedervereinigungsbedingten Mehrbedarfs.“ Danach begründete nur „ein evidenter Wegfall“ oder hilfsweise ein evidentes Ungleichgewicht zwischen dem Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag und dem finanziellen Mehrbedarf infolge der Wiedervereinigung eine Verpflichtung des Gesetzgebers, den Solidaritätszuschlag aufzuheben oder anzupassen. Den Bundesgesetzgeber trifft also eine Beobachtungs- und ggf. Anpassungspflicht. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, dass dem Bund ab 2020 weitere besondere Finanzbedarfe wegen der Corona-Pandemie und danach für die Unterstützung der Ukraine nach dem russischen Angriffskrieg entstanden sind.

Für Jahre ab 2021 war zusätzlich strittig, ob eine Ungleichbehandlung dadurch entstanden ist, dass ca. 90% der Einkommensteuerzahler vom Solidaritätszuschlag befreit sind. Seit 2022 werden höhere Einkommen, aktuell bis ca. 73.500 Euro (bei Ledigen) / 147.000 Euro (bei Zusammenveranlagung) von der Erhebung des Solidaritätszuschlags vollständig freigestellt. Diese -zusätzlich zum Einkommensteuertarif eingeführte- soziale Staffelung ist mit dem Sozialstaatsprinzip vereinbar und verstößt nach der Entscheidung des Gerichts nicht gegen das Gleichheitsgebot. Auch die besondere Erhebung des Solidaritätszuschlags auf die Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge wird vom Gericht nicht beanstandet.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und Bedeutung für die Steuerpflichtigen

In der Sache hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass für die Steuerpflichtigen -und den Staatshaushalt- zunächst „alles beim Alten“ bleibt. Der Solidaritätszuschlag darf weiter erhoben werden. Es bleibt abzuwarten, ob die sich abzeichnende neue Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD neben avisierten gesetzlichen Änderungen beim Einkommensteuertarif auch den Solidaritätszuschlag anpassen wird. Nach der Sondierungsvereinbarung vom 8. März 2025 ist eine „Entlastung der breiten Mittelschicht durch eine Einkommensteuerreform“ vorgesehen.

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