Kommunale Aufsichtsratsmitglieder stehen oft vor einer schwierigen Frage: Welche Informationen dürfen sie dem Gemeinderat mitteilen – und was bleibt vertraulich? Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in einem aktuellen Urteil wichtige Klarstellungen getroffen. Es geht um das Verhältnis zwischen der Berichtspflicht gegenüber dem Gemeinderat und der Verschwiegenheitspflicht nach § 394 Aktiengesetz (AktG).
INHALTE

Rechtliche Grundlagen: Zwischen § 394 AktG und der Gemeindeordnung NRW

Aufsichtsratsmitglieder unterliegen grundsätzlich einer Verschwiegenheitspflicht. Nach § 116 Satz 2 AktG gilt:

„Die Aufsichtsratsmitglieder sind insbesondere zur Verschwiegenheit über erhaltene vertrauliche Berichte und vertrauliche Beratungen verpflichtet.“

Für kommunale Unternehmen macht § 394 AktG jedoch eine Ausnahme. Diese Regelung erlaubt es kommunalen Aufsichtsratsmitgliedern, unter bestimmten Voraussetzungen Informationen an den Gemeinderat weiterzugeben – sofern keine schutzwürdigen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verletzt werden.

Diese gesetzliche Besonderheit trägt dem Umstand Rechnung, dass kommunale Interessen auch bei Beteiligungen an privatrechtlichen Unternehmen gewahrt bleiben müssen. So regelt etwa § 113 Absatz 5 Satz 1 der Gemeindeordnung NRW (GO NRW), dass die Vertreterinnen und Vertreter einer Gemeinde den Rat frühzeitig über Angelegenheiten von besonderer Bedeutung informieren müssen.

Das BVerwG-Urteil: Klare Regeln für die kommunale Berichtspflicht

Im Fall der Stadt Mönchengladbach forderten Ratsfraktionen Einsicht in Unterlagen einer Aufsichtsratssitzung einer kommunalen Beteiligungsgesellschaft. Der Oberbürgermeister, zugleich Mitglied des Aufsichtsrats, verweigerte die Einsicht unter Berufung auf seine Verschwiegenheitspflicht nach § 394 AktG.

Sowohl das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster als auch das BVerwG (Urt. v. 18.09.2024, 8 C 3.23) entschieden jedoch zugunsten der Ratsfraktionen. Die Gerichte stellten klar, dass § 394 AktG die Berichtspflicht gegenüber dem Gemeinderat nicht grundsätzlich ausschließt. Im Gegenteil: Die gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflicht sei hier durch die landesrechtliche Vorschrift des § 113 Absatz 5 Satz 1 GO NRW aufgehoben.

Berichtspflicht vs. Verschwiegenheitspflicht: Was gilt für den Gemeinderat?

§ 394 Satz 1 AktG stellt klar, dass kommunale Aufsichtsratsmitglieder gegenüber ihrer Gebietskörperschaft berichtspflichtig sind. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dürfen dabei nur dann geheim bleiben, wenn sie für den Bericht an den Gemeinderat nicht relevant sind.

Das BVerwG betonte, dass die Berichtspflicht nicht von einer besonderen Vertraulichkeit des Empfängers abhängt. Der Gemeinderat als demokratisch legitimiertes Organ bleibt damit ein zulässiger Empfänger von Informationen aus dem Aufsichtsrat – sofern diese für kommunale Entscheidungen von Bedeutung sind.

Praktische Konsequenzen für kommunale Unternehmen und Aufsichtsratsmitglieder

Das Urteil stärkt die Transparenz und das Informationsrecht der kommunalen Räte. Für kommunale Unternehmen bedeutet dies, dass sie ihre internen Abläufe im Hinblick auf die neuen Vorgaben überprüfen sollten.

Empfohlene Maßnahmen:

  • Richtlinien anpassen: Überprüfen und aktualisieren Sie interne Richtlinien zur Informationsweitergabe.
  • Schulungen anbieten: Sensibilisieren Sie Aufsichtsratsmitglieder regelmäßig zu ihren Rechten und Pflichten.
  • Kommunikation stärken: Fördern Sie den Austausch zwischen Aufsichtsräten und dem Gemeinderat im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben.

Fazit

Das BVerwG hat klargestellt: Die kommunale Berichtspflicht bleibt auch bei gesellschaftsrechtlichen Verschwiegenheitspflichten bestehen. Kommunale Unternehmen und ihre Vertreterinnen und Vertreter im Aufsichtsrat sind gut beraten, ihre internen Regelungen an die neuen Vorgaben anzupassen.

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FAQs

Nach § 394 Satz 1 AktG unterliegen Aufsichtsratsmitglieder, die auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat gewählt oder entsandt worden sind, hinsichtlich der Berichte, die sie der Gebietskörperschaft zu erstatten haben, keiner Berichtspflicht. Die Berichtspflicht kann auf Gesetz, auf Satzung oder auf dem Aufsichtsrat in Textform mitgeteiltem Rechtsgeschäft beruhen.

Von der Suspension der Verschwiegenheitspflicht ausgenommen sind gemäß § 394 Satz 2 AktG vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, wenn ihre Kenntnis für die Zwecke der Berichte nicht von Bedeutung ist.

In Nordrhein-Westfalen ergibt sich die von § 394 AktG vorausgesetzte Berichtspflicht aus § 113 Absatz 5 Satz 1 GO NRW, wonach die Vertreter der Gemeinde den Rat über alle Angelegenheiten von besonderer Bedeutung frühzeitig zu unterrichten haben. Die Norm führt in Nordrhein-Westfalen dazu, dass eine Verschwiegenheitspflicht kommunaler Aufsichtsratsmitglieder suspendiert sein kann. Gegenüber dem Bürgermeister kann sich somit ein aus § 55 GO NRW resultierender Anspruch von Ratsfraktionen auf Einsicht in die Unterlagen zu Aufsichtsratssitzungen ergeben.