Aktuell: Die Europäische Kommission hat im Mai 2022 einen Richtlinienentwurf zur Angleichung der steuerlichen Behandlung von Eigen- und Fremdkapital vorgelegt, der einerseits den Abzug von fiktiven Zinsaufwand auf Eigenkapital zulässt und andererseits eine weitere Abzugsbeschränkung für Zinsaufwand enthält.
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Die Europäische Kommission hat im Mai 2022 einen Richtlinienentwurf zur Angleichung der steuerlichen Behandlung von Eigen- und Fremdkapital vorgelegt, der einerseits den Abzug von fiktiven Zinsaufwand auf Eigenkapital zulässt und andererseits eine weitere Abzugsbeschränkung für Zinsaufwand enthält.

Der Richtlinienentwurf geht zurück auf die am 18. Mai 2021 veröffentlichte Agenda der EU Kommission zur Schaffung eines soliden, effizienten und fairen Unternehmenssteuersystems innerhalb der EU. Der vorliegende Richtlinienentwurf greift die unterschiedliche ertragsteuerliche Behandlung von Eigen- und Fremdkapital auf und stellt Lösungen zur Angleichung der Besteuerung auf („debt-equity-bias reduction allowance“ – DEBRA).

Ziel ist die aufgrund des Zinsabzugs häufig steuerlich motivierte Ausstattung von EU-Unternehmen mit Fremdkapital zu begrenzen und somit einen stärkeren Anreiz zur eigenkapitalfinanzierten Ausstattung von Unternehmen zu schaffen. Hierdurch sollen Unternehmen beispielsweise besser gegen Krisen gewappnet sein. Vorgesehen ist, dass die Richtlinie bis zum 31. Dezember 2023 in nationales Recht umgesetzt wird und damit ab dem Jahr 2024 Anwendung findet. Für Länder, die derzeit bereits einen fiktiven Zinsabzug auf Eigenkapital zulassen, soll es großzügige Übergangsfristen geben.

Zu beachten ist allerdings, dass es sich hierbei um einen Entwurf handelt und es nicht klar ist wann beziehungsweise ob dieser überhaupt jemals umgesetzt werden wird. Wesentliche Hürde ist hier die für solche Richtlinien notwendige Einstimmigkeit unter den Mitgliedstaaten im Rat.

Persönlicher Anwendungsbereich

Von der Richtlinie sind Steuerpflichtige erfasst, die in einem oder mehreren Mitgliedstaaten körperschaftsteuerpflichtig sind. EU-Betriebsstätten von Drittstaatengesellschaften sind ebenfalls abgedeckt. Keine Anwendung finden soll die Richtlinie auf Finanzunternehmen.

Fiktiver Zinsabzug

Zur Incentivierung der Ausstattung von Unternehmen mit Eigenkapital sieht der Richtlinienentwurf vor, dass für einen „Eigenkapitalzuwachs“ über einen Zeitraum von zehn Jahren ein fiktiver Zinsabzug zugelassen wird.

Dieser fiktive Zinsabzug berechnet sich dabei wie folgt:

 

            „Eigenkapitalzuwachs“     x     „fiktiver Zinssatz“     =     fiktiver Zinsabzug

 

„Eigenkapitalzuwachs“ ist der Betrag, um den das Netto-Eigenkapital zum Ende des Wirtschaftsjahres das Netto-Eigenkapital zu Beginn des Wirtschaftsjahres übersteigt, mithin also die Erhöhung des Eigenkapitals eines Jahres.

Für den Fall, dass die Richtlinie tatsächlich umgesetzt wird und ab 2024 anwendbar ist, bedeutet dies zum Beispiel, dass für Eigenkapital, das in einem Unternehmen per 31. Dezember 2023 ausgewiesen ist, in Zukunft kein fiktiver Zinsabzug geltend gemacht werden kann. Lediglich Eigenkapitalzuwächse ab 2024 können damit unter Umständen von einem fiktiven Zinsabzug profitieren. Zumindest bis einschließlich 2023 führt die geplante Umsetzung entgegen der eigentlichen Intention damit zu einem Anreiz, Unternehmen mit Fremd- statt Eigenkapital auszustatten und ggf. erst nach Umsetzung der Richtlinien eine Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital umzusetzen.

Bei der Ermittlung des Netto-Eigenkapitals werden zur Vermeidung von Kaskadeneffekten innerhalb verbundener Unternehmen unter anderem folgende Positionen vom Eigenkapital abgezogen:

  • Beteiligungen an Tochtergesellschaften sowie Darlehen gegenüber verbundenen Unternehmen;
  • Eigenkapital, das durch Umstrukturierungen innerhalb verbundener Unternehmen geschaffen wurde;
  • bestimmte Einlagen, insbesondere Sacheinlagen.

Die genaue Ausgestaltung solcher Missbrauchsverhinderungsvorschriften ist noch weitestgehend unklar.

Der „fiktive Zinssatz“ setzt sich zusammen aus dem zehnjährigen risikofreien Zins zuzüglich eines Aufschlages von einem beziehungsweise 1,5 Prozent für kleine und mittlere Unternehmen.

Der so berechnete fiktive Zinsabzug kann sodann im entsprechenden Veranlagungszeitraum sowie den neun darauffolgenden Veranlagungszeiträumen steuerlich abgezogen werden.

Eine Umkehr, das heißt eine steuerliche Erfassung von fiktiven Zinserträgen über einen Zeitraum von zehn Jahren, findet im Fall von bestimmten Eigenkapitalminderungen Anwendung. Begrenzt ist der fiktive Zinsertrag auf die Höhe zuvor geltend gemachter fiktiver Zinsaufwendungen. Eigenkapitalminderungen, die infolge von Verlusten eintreten, sind hiervon nicht betroffen. Der Abzug fiktiver Zinsaufwendungen ist insgesamt begrenzt auf 30 Prozent des EBITDA.

Weitere Einschränkung des Zinsabzugs

Zur Gegenfinanzierung sowie zur Des-Incentivierung der Ausstattung von Unternehmen mit Fremdkapital sieht der Richtlinienvorschlag vor, dass Netto-Zinsaufwand (das heißt Zinsaufwand abzüglich Zinserträge) generell nur noch zu 85 Prozent abzugsfähig ist.

Die Begrenzung der Abzugsfähigkeit von Netto-Zinsaufwand auf 85 Prozent soll vor Anwendung sonstiger bestehender Zinsabzugsbeschränkungen (zum Beispiel der Zinsschranke) greifen. Der 85 Prozent übersteigenden Netto-Zinsaufwand kann nicht vorgetragen werden und ist somit – ähnlich wie das aktuell bei der 25-prozentigen gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Zinsaufwendungen der Fall ist – endgültig nicht abzugsfähig.

Praxishinweis

 Die Umsetzung des Richtlinienvorschlags sollte weiterhin beobachtet werden, um rechtzeitig die Auswirkungen fiktiver Zinsabzüge beziehungsweise die weitere Begrenzung von Zinsabzügen ermitteln und gegebenenfalls Anpassungen in der Eigen-/Fremdkapitalausstattung von Unternehmen vornehmen zu können. Da bei unterstellter Anwendung ab 2024 nur Eigenkapitalerhöhungen ab 2024 von einem fiktiven Zinsabzug profitieren können, sollte eine geplante Eigenkapitalerhöhung ggfs. noch hinausgezögert werden. Wir möchten an dieser Stelle allerdings nochmal darauf hinweisen, dass es höchst unsicher ist, ob und wann der Richtlinienvorschlag aufgrund des notwendigen Einstimmigkeitserfordernisses der Mitgliedstaaten umgesetzt wird.