Das Insolvenzrecht hat seit Beginn der Corona-Pandemie größere politische Aufmerksamkeit erhalten. Einer Insolvenzwelle deutscher Unternehmen ist die Bundesregierung durch die mehrfache Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und breite finanzielle Unterstützungen (sog. Coronahilfen) entgegengetreten.

Infolge des Ukrainekrieges und den erhöhten Energiekosten plant die Bundesregierung jetzt, zeitlich begrenzt die Fortführungsprognose für den Insolvenzgrund der Überschuldung von zwölf auf vier Monate zu verkürzen. Die Finanzverwaltung hat sich kürzlich im BMF-Schreiben vom 12.04.2022 auch schon mit einem Direktanspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt im Falle der Insolvenz eines Vertragspartners befasst.

Uneinbringlichkeit einer Forderung

Praxisrelevant ist besonders die Frage nach dem Zeitpunkt der Uneinbringlichkeit einer Forderung im Rahmen der Insolvenz eines Kunden. In diesem Zeitpunkt entstehen nämlich die Berichtigungspflicht sowie der Umsatzsteuererstattungsanspruch des leistenden Unternehmers gegenüber seinem Finanzamt.

Grundsätzlich ist die Umsatzsteuerschuld des leistenden Unternehmers zu berichtigen, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung uneinbringlich geworden ist. Uneinbringlichkeit liegt insbesondere vor, wenn der Schuldner zahlungsunfähig ist, wenn der Forderung die Einrede des Einforderungsverzichts entgegengehalten werden kann, oder wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und objektiv damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung ganz oder teilweise auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann.

Die Stellung eines Insolvenzantrags, oder die bloße Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, bewirkt für sich allein allerdings keine Uneinbringlichkeit. Wird neben dem vorläufigen Insolvenzverwalter jedoch auch ein allgemeines Verfügungsverbot für den Schuldner angeordnet (sog. starker vorläufiger Insolvenzverwalter) oder angeordnet, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters wirksam sind (sog. schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt), tritt bereits damit Uneinbringlichkeit ein. Denn beide Arten der Verfügungsbeschränkung bewirken, dass der Gläubiger seinen Entgeltanspruch zumindest für die Dauer des Insolvenzeröffnungsverfahrens und damit im Regelfall über einen längeren Zeitraum von ungewisser Dauer nicht mehr durchsetzen kann. Wird der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (z.B. mangels Masse) abgewiesen, liegt ebenfalls ein Fall der Uneinbringlichkeit vor.

Spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens des Leistungsempfängers und der Bestellung des endgültigen Insolvenzverwalters tritt die Uneinbringlichkeit der Forderung ein. Denn der Insolvenzschuldner ist dann rechtlich nicht mehr in der Lage, die Entgeltforderung zu erfüllen.

Praxishinweis

Ob ein Insolvenzgrund und die Uneinbringlichkeit einer Forderung des Vertragspartners gegeben ist, wird für den Gläubiger regelmäßig schwer erkennbar sein. Er hat meist keinen Einblick in die Interna des Vertragspartners. Hinsichtlich des Berichtigungszeitpunktes besteht allerdings kein Wahlrecht. Wird die Berichtigung zu spät vorgenommen, besteht in einer späteren Betriebsprüfung das Risiko, dass die Minderung der Umsatzsteuerschuld im unzutreffenden Veranlagungszeitraum versagt wird, eine Berichtigung im zutreffenden Veranlagungsjahr jedoch nicht mehr möglich ist. Auch der Direktanspruch gegenüber dem Finanzamt ist nur für Ansprüche denkbar, die noch änderbare Veranlagungszeiträume betreffen. Die nie vom Kunden erhaltene, aber auch nicht vom Finanzamt erstattbare Umsatzsteuer würde damit zum finalen Kostenfaktor. Deshalb ist es wichtig, den von außen erkennbaren Zeitpunkt des Eintritts der Uneinbringlichkeit einer Forderung (Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit den o.g. Kompetenzen etc.) zu erkennen. So können Sie die gesetzlich vorgeschriebene Berichtigung der Umsatzsteuer zum richtigen Zeitpunkt vornehmen.